Wie ein kleines Kind …

Wenn sie es rascheln hört gibt es kaum noch ein Halten. Die bunt bedruckte Sonderedition scheint ihr Lieblingsspielzeug zu sein – auch in der normalen Ausführung. Man kann es durch die Luft wedeln, mit den kleinen Händchen durchkneten, mit dem zahnlosen Mund darauf herumkauen, den lustigen Geräuschen zuhören, die es macht, wenn die winzigen Finger es von einer Hand in die andere hüpfen lassen. Meine kleine Tochter liebt Papiertaschentücherpäckchen über alles, denn sie entdeckt die Welt anders als wir Großen: Da wird ein solcher Alltagsgegenstand schnell zum liebsten Spielzeug, während es für mich schlicht nützlich ist.

Die Bibel vergleicht immer mal wieder Kinder und Erwachsene. Dabei ziehen die Langen auch schon mal den Kürzeren. Anscheinend haben Kinder uns Großgewordenen etwas voraus. Bei allem was die Kleinen auch noch nicht können, sind sie mir doch bewundernswerte Vorbilder, wenn es darum geht, die Welt mit anderen Augen zu sehen: Da sind die Taschentuchpackungen eben nicht nur dazu da, der laufenden Nase Widerstand zu leisten, sondern sie sind mal Auto, mal Flugzeug, mal Schiff. Sie sind mal Musikinstrument, mal Telefon, mal Werkzeug. Sie sind bunt, knisternd und aufregend. Nur nicht langweilig oder nützlich. Und ein kleines Kind hat vor allem nichts dafür geleistet.

Die Welt mit anderen, offeneren Augen zu sehen – das ist es, was Kinder noch nicht verlernt haben und woran uns der Glaube erinnert. Die Welt als ein wunderbares und vielseitiges Geschenk wahrzunehmen – entgegen aller Nützlichkeiten und offensichtlichen Widersprüche. Der Welt das Schöne, Bunte, Fröhliche abzugewinnen, anstatt sie immer nur als nützlich, grau und ernst zu betrachten. Das sind diese Kinderaugen, die genießen statt analysieren, die Welt als ein Geschenk annehmen, das man sich nicht verdienen kann. Das ist die erfrischende Naivität des Glaubens. „Lass dir wie ein Kind die Welt Gottes schenken“, lautet die befreiende Botschaft in der besonderen Hoffnung auf die neue Welt Gottes, die man sich nur schenken lassen, sich aber nicht verdienen kann. „Wer sich Gottes neue Welt nicht schenken lässt wie ein Kind, wird niemals hineinkommen.“ (Markus 10,15) Die neue Welt Gottes ist nicht denen versprochen, die sie sich verdienen oder zunutze machen wollen. Sie gehört denen, die sie sich unverdient schenken lassen und sich daran freuen – wie ein kleines Kind.

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