Abraham I: Glaube & Zweifel

– Einleitung –

Abraham also. Heute und in den nächsten Gottesdiensten werden wir drei Perspektiven auf einen Charakter werfen, der in allen drei monotheistischen Weltreligionen – also im Judentum, im Islam und im Christentum – für den Anfang der Geschichte Gottes mit den Menschen steht. Aller Anfang beginnt bei, aller Anfang ist Gott. Das ist die einfache aber christliche Antwort auf die Fragen, die wir uns alle irgendwann mal stellen: „Wo komme ich her?“, „Warum bin ich hier?“, „Warum ist die Banane krumm?“. Ich möchte es mir damit nicht einfach machen. Gott ist kein Lückenfüllergott, den ich immer dann ins Spiel bringe, wenn ich keine Antwort habe. Nein, wir können schon danach fragen, wie Gott das alles hier gemacht hat und können in den Natur- und Geisteswissenschaften wunderbare Entdeckungen über die Welt machen. Aber am Ende landen wir bei Gott: Er ist der Schöpfer. Und dieser Schöpfergott erwählt Abraham, und beginnt mit ihm seine Liebesgeschichte, manche sagen auch Heilsgeschichte, in dieser Welt zu schreiben.

– Hermeneutischer Exkurs –

Aber Moment, bevor wir mit Abraham durchstarten, möchte ich eine wichtige Sache ansprechen. Vielleicht ist es dir auch gerade aufgefallen. Abrahams Geschichte beginnt ja im ersten Buch Mose, der Genesis, erst am Ende des elften Kapitels. Was ist mit den ersten elf Kapiteln? Was ist mit der Schöpfungsgeschichte, mit Adam und Eva, dem Apfel und der Schlange, mit Kain und Abel oder Noah mit seiner Arche und mit den Turmbauern von Babel. Beginnt da nicht schon die Geschichte Gottes mit den Menschen? Das ist eine berechtigte Frage! Aber die Antwort ist nicht so klar und einfach. Ich denke es macht Sinn, die Frage mal etwas genauer zu stellen, wo Gott seine Liebesgeschichte mit den Menschen beginnt und wie man die ersten elf Kapitel des ersten Buch Mose (auch) lesen kann! Ich möchte mich heute mal soweit aus dem Fenster lehnen und sagen, dass zumindest in der Art und Weise wie die ersten elf Kapitel geschrieben sind, die biblischen Urpersonen eher als zeitlose Stereotypen dargestellt werden. Stereotyp? Was meine ich damit? Ich habe euch mal ein Bild mitgebracht.

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Welche Nationalität hat wohl dieser gutausehende junge Mann? … Richtig! Das Bild zeigt einen stereotypen Iren. Klar: Iren, das haben wir vergangene Woche beim Deutschlandspiel gegen Nordirland gesehen, sind echte Haudegen. Immer pöbelnd. Immer verkündigen sie irgendwelche Parolen und trinken schon zum Frühstück Whisky. Aber immer nur den irischen – auf keinen Fall den schottischen. Stereotyp eben. Die ersten elf Kapitel der Genesis beschreiben den Stereotyp ‚Mensch‘ aus jüdischer und christlicher Sicht.

Nur das wir uns da richtig verstehen: Stereotyp muss nicht heißen, dass es die Personen der Urgeschichten nicht gegeben hat – aber in gewisser Weise, und aus meiner Sicht sogar im Kern, geht es in den ersten elf Kapitel nicht um die Geschichte Gottes mit Menschen, sondern um grundsätzliche Aussagen über Gott, über die Welt und vor allem über uns Menschen vor Gott. Wie wir vor Gott Sünder sind (Adam, Eva und Kain). Wie Gott sich für uns als Gerechte einsetzt (Noah), aber wie sehr wir als Menschen immer wieder versuchen wie Gott zu sein (der Turmbau).

Diese Urgeschichten, diese ersten elf Kapitel der Bibel, müssen daher keiner konkreten, sondern sollten jeder historischen Epoche der Menschheitsgeschichte zugeordnet werden. Bei den Urgeschichten geht nicht um den Anfang, sondern es geht um alle Menschen. Irgendwann mache ich mal dazu eine Predigtreihe. Aber so begründe ich es, dass Abraham der uns zeitlich-überlieferte Beginn der Liebesgeschichte Gottes mit uns Menschen ist. Zurück also zu Abraham.

Der Bibel nach lebte Abraham etwa 2000 vor Christus – wobei wir davon ausgehen dürfen, dass die Abrahamtexte der Bibel vermutlich erst um 1000 v. Chr. aufgeschrieben und vermutlich erst 400 v. Chr. in ihre endgültige Form gebracht wurden. 1600 Jahre liegen also zwischen Abraham und dem Text der Bibel. Stellt euch das mal vor. Das wäre so, als wenn die Geschichte Jesu erst im 16. Jahrhundert aufgeschrieben worden wäre. Die Geschichten wären 1600 Jahre von Generation zu Generation, durchs Mittelalter hindurch nur mündlich weitergegeben worden. Ich finde es erstaunlich, und das ist ein Wunder, dass trotz dieser langen Entstehungsgeschichte des Abrahamtextes die Geschichte Abrahams eine unglaubliche innere Geschlossenheit hat. Sie ist ehrlich. Das macht sie für mich glaubwürdig. Sie überzeugt. Deshalb war sie in 2000 Jahren christlicher Kirche immer zentral – deshalb gilt Abraham auch für uns Christen bis heute als ein Vorbild im Glauben. Die Geschichte Abrahams, ja sie enthält Wort Gottes an uns. Lasst uns von ihr jetzt lernen.

– Die Geschichte Abrahams –

Schauen wir uns dazu diesen Abraham mal genauer an. Was wissen wir eigentlich von Abraham? Abraham kam aus Ur in Chaldäa. Diese Stadt Ur gibt es immer noch. Sie heißt heute Nasyria und liegt im Irak nahe des persischen Golfes. Doch schon der Vater Abrahams, Terach wandte sich von Ur ab und zog mit seinen zwei Söhnen Abraham und Nahor, sowie seinem Waisenenkel Lot samt Anhang nach Haram – das liegt in Syrien. Warum Terach Ur verließ, wissen wir nicht – jedoch könnte der Zusatz zum Stadtnamen Ur ein Hinweis sein. Den Regionsnamen Chaldäa gab es zur Zeit Abrahams noch nicht. Erst viel, viel später wurde das Gebiet rund um die Stadt Babylon so genannt und so kann man davon ausgehen, dass Chaldäa erst später in den Abrahamstext eingefügt wurde. Vermutlich weil dieses Gebiet schon immer mit Magie, Sternendeutern und Wahrsagerei in Verbindung gebracht wurde. Daher könnte die Nennung des Namens Chaldäa ein Hinweis darauf sein, weshalb Abrahams Vater Ur verlassen hat. Denn zu jener Zeit verließ man seine Heimat auf keinen Fall grundlos. Schließlich war Abrahams Familie keine arme Hirtenfamilie, sondern Abraham war ein reicher Scheich, der über große Herden verfügte und viele Männer und Frauen im Dienst hatte. Mit dieser ganzen Sippschaft loszuziehen war etwas anstrengender als meine früheren Sommerurlaube, als wir zu Acht samt Bulli und Anhänger los nach Spanien gezogen sind. Ne, das war schon noch eine andere Nummer. In Haram bekam Abraham dann seine erste Verheißung. Gott spricht Abraham an. Warum, dass wissen wir gar nicht. Die Bibel nennt keinen Grund, warum Gott Abraham auswählt. Aber deshalb redet man ja von Erwählung – weil es nicht an Abraham lag, sondern an Gott. Gott erwählt Abraham und verspricht zwei Dinge: Erstens soll Abraham Stammvater eines großen Volkes werden. Das Zweitens ein eigenes Land besitzen wird. Erst danach wird davon erzählt, wie Abraham Gott vertraut und sich auf den Weg in das verheißene Land macht. Das ist die Grundlage! Die Erwählung Gottes und das daraus resultierende Vertrauen Abrahams loszuziehen. Das ist alles, was wir an Vorabinformationen über Abraham brauchen um uns auf seine Glaubensgeschichte einlassen zu können. Ich hoffe, ihr seid noch wach … . Denn von hier aus machen wir uns jetzt auch auf den Weg und nehmen unsere drei Perspektiven ein. Heute die erste Perspektive: Abrahams Glauben und seine Zweifel.

– Abrahams Glaube & Zweifel –

Vom Glauben
Abraham gilt als der Glaubensvater schlechthin. Wenn wir uns die Abrahams Glaubensgeschichte anschauen, dann wird uns auch schnell deutlich warum. Es wird uns erzählt, wie Abraham dem Ruf Gottes folgte, und in die Ungewissheit aufbrach. Abraham verlässt das eigene Land, ein Großteil seiner Verwandtschaft und lässt sogar den eigenen Vater zurück. Und damit gibt er all seine Sicherheiten auf – all dass, was seine Identität ausmachte. Er verlässt all das für Gott. Weil er Gott vertraut. Als Auserwählter weiß er sich in Gottes Hand und versteht sich als Empfangender. Er unterstellt sich ganz und gar der Fürsorge Gottes. Nichts anderes heißt Glauben auch heute. Glaube heißt sich fest zu machen an Gott und an nichts anderem. Und der Grund dafür ist, dass Gott sich an dir fest machen will. Er dich erwählt. Wie früher auf dem Schulhof beim Pausenfußball. Als Teams gewählt worden wurde ich in ein Team erwählt. Gott ruft dich in sein Team. Glaube heißt, darauf zu vertrauen, dass du mit Gott im Siegerteam bist. Und für unser Leben bedeutet das ganz konkret, in allen Dingen deines Lebens nach Gott zu fragen und ihm zu vertrauen. Das ist gar nicht so einfach, wie es sich anhört. Denn es bedeutet in manchen Situationen des Lebens wie das Stehen auf dem Zehnmeterbrett im Freibad. Ich weiß nicht, ob du jemals auf einem Zehnmeterbrett standest und dieses Gefühl kennst. Als Jugendlicher bin ich häufig und auch gerne kopfüber da runter gesprungen. Aber ich kann mich noch sehr gut an meinen allerersten Sprung erinnern. Ich weiß es noch genau: Ich stand da Vorne, ganz am Rand und machte den größten Fehler: Ich schaute nach unten! Durch das klare Wasser schaute ich direkt auf den Grund des Schwimmbeckens, sodass es keine zehn, sondern gefühlte fünfzehn Meter bis unten waren. Aber das machte auch keinen Unterschied – es war einfach zu hoch. Meinem Freund erging es offensichtlich anders. Er kletterte den Trum hoch und sprang sofort da runter. Als ich sah, dass er gut unten angekommen war, ergriff ich meinen ganzen Mut und machte auch einen kleinen Schritt nach Vorne. Ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein riesen Schritt für Simon Hartung. Platsch! Und es klappte. Ich kam gut unten an. Das Wasser hielt was es versprach und fing mich auf. Nicht anders war es bei Abraham. Auch er machte sich auf. Schritt für Schritt, kletterte den Turm hoch, sprang und vertraute Gott. Glaubte, dass Gott ihn ans Ziel bringen wird. Das Gott ihm Lebensinn und Perspektive schenkt – so verstehe ich das Versprechen, das Abraham einen Sohn bekommen soll. Wir haben eben von Elske von diesen Begegnungen Abrahams mit Gott gehört. Da heißt es so schön, dass „Abraham sich vor Gott nieder warf.“ Ein Geste des Vertrauens. Abraham fiel nieder. Wie wir vom Zehnmeterbrett. Darin ist Abraham für uns ein Vorbild – eben Glaubensvater. Vielleicht so wie mein Freund, der vor mir vom Zehnmeterbrett sprang. Springen wir hinterher? Vertraust auch du Gott in allen Bereichen deines Lebens? Brichst auch du auf?

Vom Zweifeln
Abraham kniet vor Gott. Zeigt sein Vertrauen. Aber der Satz geht noch weiter. Da heißt es im Nachsatz: „Aber Abraham lachte in sich hinein und dachte bei sich: »Ich bin fast hundert Jahre alt, da soll mir noch ein Sohn geboren werden?“. Das ist auch Glaube. Menschlicher Glaube. Man vertraut Gott. Klar! Schließlich ist Gott ja Gott. Bei ihm ist nichts unmöglich heißt es in der Bibel immer und immer wieder. Aber kann er das wirklich tun! Kann er mir das Geben, was ich zum Leben brauche. Kann Gott mir Lebenssinn geben. Kann er Abraham trotz seines und vielmehr trotz des Alters seiner Frau Sara ein Kind schenken? Auf das Lachen Abrahams geht Gott an dieser Stelle gar nicht ein. Aber interessanterweise begegnet Gott Abraham ja noch einmal. Lässt ihn trotz der Zweifel nicht los. Er bleibt Auserwählter. Drei Gestalten kommen dieses Mal zu Abraham, die werden von ihm bekocht und einer der Dreien bestätigt Abraham nochmals die Zusage Gottes, dass Sara einen Sohn bekommen wird. Doch dieses Mal bekommt Sara das mit und auch ihre Reaktion ist Lachen. Lachen aus Zweifel. Man könnte sagen: Sara lacht Gott aus. Aber das ist vielleicht auch berechtigt. Denn wie soll das gehen. Sie ist 90, Abraham 99 Jahre. Und sie leben ja nicht im 21. Jahrhundert mit top medizinischer Versorgung. Die Zweifel sind berechtigt. Und so reagiert Gott diese Mal und fragt nach, warum Sara gelacht habe. Das ist so spannend! Die Antwort Saras. Sara lügt! Sie lügt Gott an. Könnt ihr euch das vorstellen? Sie sagt, sie habe nicht gelacht! Und Gott antwortet einfach nur: „Doch, dass hast du“. Was ist dein Bild von Gott? Sara lacht Gott aus. Bei einer Lüge müsste er doch eigentlich seine Zusage zurück ziehen. Wenn du mir so wenig vertraust, dann hast du meine Zusage auch nicht verdient. Leider denken viele Christen heute genauso. Aber Gott handelt hier anders. Gott steht zu seinem Wort, unabhängig vom aktuellen Stand unseres Glaubensbarometer.

– Konkretion –

Der Glaubensvater Abraham, ist auch ein Vater des Glaubenszweifels! Das macht ihn sympathisch und menschlich. Ich finde das ist eine wichtige und ehrliche Perspektive. Abraham ist auch unser Vorbild in Sachen Zweifel. Vielleicht zweifelst du auch. Kannst über die Zusagen Gottes in Jesus Christus auch nur lachen. Sie nicht ernst nehmen: Das dir im Namen Jesu alle Schuld vergeben ist. Das Gott zu dir steht, auch wenn du im Leben scheiterst. Das Gott dich mit seinem Geist umgibt und dir Lebenskraft schenkt und dir nah ist. Dich unbegreiflich, vorbehaltlos liebt, so wie du bist! Vielleicht zweifelst du sogar an der Wirklichkeit Gottes. Aber all das, deine Zweifel, werden nicht dazu führen, dass Gott nicht mehr Gott ist. All das wird Gott nicht abhalten seine Zusagen in deinem Leben Wirklichkeit werden zu lassen. Denn trotz der Zweifel Abrahams und seiner Frau Sara, trotz des Lachens über die Zusagen Gottes, steht Gott zu seinem Wort. Ist Gott der Treue. Das lesen wir in Genesis 21,1–8:

1 Der Herr dachte an Sara und tat an ihr, was er angekündigt hatte. 2 Sie wurde schwanger und gebar Abraham noch in seinem Alter einen Sohn. Es war genau zu der Zeit, die Gott angegeben hatte. 3 Abraham nannte den Sohn, den Sara ihm geboren hatte, Isaak. 4 Als Isaak acht Tage alt war, beschnitt er ihn, genau wie Gott es angeordnet hatte. 5 Abraham war bei Isaaks Geburt 100 Jahre alt. 6 Sara aber sagte: »Gott hat dafür gesorgt, dass ich lachen kann. Alle, die davon hören, werden mit mir lachen. 7 Noch nie hat Abraham es erlebt, dass ihm einer die Nachricht brachte: ›Deine Frau Sara stillt ein Kind.‹ Aber jetzt in seinem Alter habe ich ihm noch einen Sohn geboren!« 8 Isaak wuchs und gedieh. Als er von der Mutterbrust entwöhnt wurde, feierte Abraham mit seinen Leuten ein großes Fest.

Gott zu vertrauen lohnt sich – auch dann Gott zu vertrauen, wenn wir nicht anders können als an seinen Zusagen zu zweifeln. Denn Gott steht zu seinem Wort – auch für dich. Auch für dich gilt die Zusage Gottes, dass er einen Plan für dich hat. Dass er auch dein Lachen aus Zweifeln verwandelt in ein Lachen purer Freude, so wie Sara hier vor Freude lacht. Ich finde das schon toll, dass Isaak, Isaak heißt. Wisst ihr was Isaak übersetzt bedeutet: Lächeln Gottes. In der Bibel ist das so wunderbar beschrieben, dass Gott Abraham und vor Saras Lachen aus Zweifeln zu Abraham sagte, dass der Sohn Isaak heißen soll. Gott weiß eben wie es ausgeht. Er ist nicht nur der, bei dem alles anfängt, er ist auch der, bei dem alles einmal enden wird – im Guten. Und dazwischen: Gott weiß um deine Zweifel. Er weiß um dein Lachen über die Dinge, die du nicht glauben kannst, weil sie dir zu groß sind. Gott ist größer! Halte fest oder mach dein Leben heute das erste Mal fest an der größten Zusage Gottes aller Zeiten: Du warst, bist und bleibst sein geliebtes Kind.
Amen.

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