Noch eine Weihnachtsbotschaft

 

„Frohe Weihnachten!?“

Selten fiel es mir so schwer, diesen Gruß ehrlich gemeint weiterzugeben. Nach diesem Wochenstart mit dem schrecklichen Anschlag in Berlin kann die Woche doch nicht mit einem ‚Frohe Weihnachten’ enden. Frohe Weihnachten? Das klingt unerhört! Wenn man auf die politischen, kriegerischen oder eben auf die terroristischen Ereignisse des letzten Jahres zurückschaut, dann ist gar nichts froh. Eher unsicher und verängstigt, manchmal kalt und resigniert wirken viele Menschen, nicht nur seit dem letzten Montag. Ja, es ist ungemütlich geworden. Eine ungemütliche Welt ist es, in der wir leben. Das Böse ist auf dem Vormarsch.

Kann man da noch Weihnachten feiern?
Es kann nur eine Antwort darauf geben:
Ja, unbedingt und gerade jetzt!

Denn die Weihnachtsgeschichte erzählt von einem Kind, dass auch in ungemütlichen Zeiten und vor allem auf ungemütliche Art und Weise auf die Welt gekommen ist. Und die Bibel erzählt davon nicht einfach nur, weil das eben genau so zufällig passiert ist, sondern weil dahinter eine zeitlos-wichtige und gute Botschaft für uns heute steckt. Aber der Reihe nach: Vor etwa zweitausend Jahren wird in Bethlehem ein Kind geboren. In einer Zeit politischer Unruhe. Israel war von den Römern besetzt. Eine Volkszählung zwang Maria und Josef dazu, trotz der Schwangerschaft ihre Heimat zu verlassen. Eine ungemütliche Reise lag vor ihnen, und ein höchst ungemütlicher Ort diente den werdenden Eltern als Kreissaal. Ihr Kind wird in einem Stall geboren und in eine Krippe gelegt. Wir kennen die Geschichte.

Seit einigen Wochen schauen wir in unseren Gottesdiensten in diesen Stall und auf die Krippenfiguren, die ganz wunderbar von Gottes Liebe bewegt worden sind – hin zu diesem Kind in der Krippe, von dem es heißt, er wird den Frieden Gottes in diese Welt bringen. Lasst uns nun einen letzten Blick auf dieses Krippenspiel werfen. Hier Vorne wirkt der Stall geradezu gemütlich. Doch schaut mal genau hin. Da sind Ochs und Esel, Schafe und Hühner. Tiere, die alles andere als gut riechen. In dem Stall stinkt es! Haben Sie jemals darüber nachgedacht, ob sich Maria und Josef irgendwo waschen konnten? Nein, sie hatten kein fließendes Wasser, ebenso wenig hatten sie ein Bett. Bekannterweise nicht einmal für das Baby. Jesus wurde in eine Futterkrippe gelegt. Ich weiß noch wie es bei uns Zuhause war, als wir letztes Jahr Nachwuchs bekamen. Wir haben extra ein möglichst sicheres Bett gekauft, haben einen Seitenaufprallschutz eingerichtet, eine 4-Zonen-Babymatratze gekauft, aber sonst auf jeglichen Schnickschnack wie Kuscheltiere und Decke verzichtet, damit dem Baby ja nichts passiert. Das Zimmer sollte gemütlich sein – nicht nur für das Kind, sondern auch für uns Eltern. Alles sollte perfekt sein. Für Jesus gab es nur eine ungemütliche Futterkrippe. Was ich damit sagen möchte, was die Weihnachtsgeschichte uns sagt: Die Umstände der Geburt Jesu waren auch alles andere als weihnachtlich. Die Umstände waren höchst ungemütlich.

Doch genau darin liegt die ganze Bedeutung von Weihnachten. Denn in Jesus kommt Gott selbst auf diese Welt – und zwar nicht in ein gemachtes Bett, sondern in die Ungemütlichkeit. Das Christentum erzählt davon, wie Gott selbst sich in Jesus in Bewegung setzte. Gott in diese Welt kam, weil er die Ungemütlichkeiten der Welt schon vor 2000 Jahren nicht ertragen konnte. Mit all ihrem schrecklichen Leid, all der untragbaren Schuld und Katastrophen. Gott wendet sich davon nicht ab, sondern Gott will genau da hinein, in die Ungemütlichkeit, Gott kommt da hinein und verdrängt die Ungemütlichkeit mit seinem göttlichen Frieden – der nicht mit Schwert, sondern mit Liebe und Selbsthingabe hergestellt wird. Das ist die ganze große Botschaft von Weihnachten. Gerade jetzt also brauchen wir Weihnachten! Wir brauchen es, dass Jesus auch in unsere Ungemütlichkeit einkehrt.

Zu allen Zeiten gab es in dieser Welt Hass und Kriege, Armut und Ausgrenzung. Das sind alles Krippen! Krippen dieser Welt, die nach Jesus schreien. Zu allen Zeiten waren Menschen verunsichert und verängstig. Zu allen Zeiten war die Welt kalt, gab es resignierte Menschen. Immer wieder dachte man, jetzt geht es nicht mehr. Jetzt ist ein Ende erreicht. Doch zu allen Zeiten und eben auch heute gilt die Botschaft von Weihnachten: Wenn dein Leben, wenn die Welt zu einer ungemütlichen Krippe geworden ist – dann will Gott in Jesus Christus genau dahin und Frieden stiften.

Auch wenn Jesus nicht jedes Jahr wahrhaftig von neuem geboren wird,
so wird Christus doch genau da von neuem geboren, wo die Hoffnung aufkeimt,
dass die Botschaft von Weihnachten auch heute noch die Welt verändern kann.
Die Botschaft, dass die Liebe Gottes uns bewegt und nicht Terror, Hass und Gewalt.

Unser Bundespräsident Joachim Gauck sagte über die Ereignisse in Berlin: Wir sind erschüttert, aber diese Taten erschüttern nicht unsere Überzeugungen. Er meint damit die Überzeugung, auf Hass nicht mit Hass zu antworten. Die Weihnachtsgeschichte lädt genau dazu ein. Sie macht uns Hoffnung. Hoffnung darauf, dass sich der Frieden Gottes da durchsetzen wird, wo Christus mit seiner Hingabe und Liebe in die Ungemütlichkeiten unserer Welt einzieht. Meine persönliche Frage an Sie zum heutigen Heiligen Abend: Darf dieses Kind in der Krippe auch in die Ungemütlichkeiten Ihres Lebens einziehen. Lassen sie sich auch von der guten Nachricht bewegen, dass Gottes Liebe diese Welt immer noch zum Guten verändert? Darf das Ihre Überzeugung sein?

Auf dem Weg zum heutigen Gottesdienst ging ich durch die Zietenterrassen. Es war ungemütlich da draußen. Doch ich konnte in den vielen Wohnungen und Häusern sehen, wie Lichter und Kerzen angemacht wurden. Ja, wir machen es uns gemütlich, das ist auch gut so! Es ist ein anderes Bild für Jesus: Jesus, das Licht der Welt. Licht, dass die Dunkelheit verdrängt. Vielleicht können wir mit diesem Hintergrund heute Abend unsere Tannenbaumbeleuchtung entzünden oder bewusst eine Kerze anzünden. Als ein Zeichen der Hoffnung, dass die Botschaft von dem Kind in der Krippe auch heute noch unsere ungemütliche Welt erreichen und verändern kann.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein frohes, aber vor allem auch ein von Gottes Liebe bewegtes Weihnachtsfest. Amen

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