Eine besondere Perspektive auf die Mission

Folgende Predigt hielt ich am 27.4. im Rahmen einer dreiteiligen Predigtreihe in der FeG Wetzlar. Die alttestamentliche Perspektive auf das Thema Mission hat mich sehr herausgefordert und ich danke Prof. Dr. Jürgen van Oorschot für ein tolles Referat, dass er mir extra für diese Predigt privat zur Verfügung stellte. Euch viel Freunde und vielleicht neue Entdeckungen zu diesem spannenden Thema.

„Mission im Alten Testament: Segensträger und Gottes Herrschaft“

Einstieg
Am 18. Mai findet in der Rittal-Arena ein großes Fest statt (iMission 12.5). Die Allianz-Mission feiert ihr 125jähriges Bestehen. Diese Missionsgesellschaft, die zum Bund FeG gehört, hat seit 125 Jahren den Wunsch, Menschen in der ganzen Welt mit der Guten Nachricht des rettenden Gottes bekannt zu machen. Und derzeit hat die Allianz-Mission 122 Missionare in 21 Ländern geschickt um diesem Wunsch auch Taten folgen zu lassen.

Einleitung
Als Kind und Jugendlicher haben mich Missionsberichte immer fasziniert. Wenn da Missionare auf der Bühne standen, die von fernen Ländern und fremden Kulturen und unbekannten Menschen berichteten. Ich kann mich noch gut an eine Missionarin erinnern, die in unserem Jugendkreis von ihrer Missionsarbeit in Afrika berichtete und danach afrikanisch für uns gekocht hatte. Ehrlich gesagt weiß ich heute nicht mehr aus welchem Land die Missionarin genau kam und wovon sie uns genau erzählt hatte. Aber das Essen, das sie uns nach ihrem Bericht zubereitet hatte, ist mir sehr positiv in Erinnerung geblieben … .

Wir beschäftigen uns heute und in den kommenden Wochen mit dem Thema Mission. Dabei ist es mein Wunsch, in diesen Gottesdiensten mehr zu erfahren als dass die afrikanische Küche besonders lecker ist. Wenn ich dann aber heute weniger von der afrikanischen Küche erzähle und auch kein Essen für später vorbereitet habe, sondern mehr von der „theologischen Theorie“ der Mission Gottes predige, dann erliegen die kommenden 20 Minuten natürlich schon der Gefahr, etwas trocken zu werden … . Vielleicht hilft uns deshalb folgendes Vorgehen. Ich habe drei Fragen vorbereitet, die dich und dein persönliches Verständnis von Mission herausfordern sollen. Ich lade dich ein, während der Predigt immer wieder über diese Fragen nachzudenken und Antworten zu finden. Deshalb stehen sie während der ganzen Predigt auf der Leinwand.

Drei Fragen:

1. Was ist (christliche) Mission und
wie steht das Alte Testament dazu?
2. Was lerne ich über Gott?
    (Wie und wer ist Gott?)
3. Was hat Mission mit mir zu tut, bin ich ein(e)
    Missionar/Missionarin?

Spannungen zwischen dem Alten und Neuen Testament
Heute wollen wir eine erste, und zwar rein biblische Perspektive auf das Thema Mission werfen. Und wir starten mit einem Blick auf das Alte Testament. Diese Perspektive ist eine sehr besondere und eher seltene.

Wir können anhand der Bibel vieles über die Mission Gottes erfahren. In den Geschichten und Zeugnissen des Neuen, aber eben auch des Alten Testaments können wir erkennen, was Gottes Mission ist. Was ihn (Gott) motiviert, welche Ziele die Mission verfolgt und wie Mission praktisch wurde und praktisch wird.

Aber ich habe auch schon öfters gehört, dass dies im Alten Testament nicht zu entdecken sei. Der Unterschied zwischen dem Alten und Neuen Testament die Mission sei. (Bild: Zwei identische Muffins – doch einer hat eine Sahnehaube … das Neue Testament!) Demnach gibt es keine Sahnehaube, keine Mission im Alten Testament. Mission ist erst mit Jesus und seinem Befehl zur Mission gestartet. Und, das werden wir sehen, da ist etwas dran!

Denn wenn wir heute von Mission reden, dann reden wir von einer christlichen Mission. Und wenn wir etwas von der christlichen Mission verstehen wollen, dann brauchen wir die Geschichte und die Zeugnisse von Jesus Christus von Nazareth, oder? Eine christliche Mission gab es im Alten Testament nicht. Es gab ja noch keinen Christus!

ABER: Der Gott im Alten Testament ist derselbe wie im Neuen Testament. Schon im Alten Testament wird Gottes Herzenswunsch, sein tiefes Verlangen nach einer Beziehung zu uns Menschen deutlich. Dieser Herzenswunsch wird dann aber in Jesu Tod und Auferstehung quasi zugespitzt deutlich und voll und ganz erfüllt – Ostern liegt ja gerade eine Woche zurück – . Aber das Gott die Gemeinschaft mit seinen Menschen sucht und sie rettet; dass er sich der Welt offenbart und Stück für Stück seine Herrlichkeit kundtut, davon berichten uns alle biblischen Bücher, auch die des Alten Testaments.

Vielleicht kann man mit einem Bild festhalten, wie bei der Mission das Alte und Neue Testament im Verhältnis stehen. Aus missionarischer Perspektive stellt das Alte Testament die Vorbühne des ersten Aktes dar, auf der Gott handelt. Für die Mission bedeutet dies, dass gerade im Alten Testament die Grundlinien der missionarischen Absicht Gottes deutlich werden. Diese Grundlinien sind dann die Voraussetzung für den zweiten Akt auf der Hauptbühne: Jesus Christus und sein Ruf „Machet zu Jüngern alle Völker“.

Halten wir also fest: Es lässt sich aus dem Alten Testament keine proaktive, von Israel ausgehende „universal christliche Mission“ herauslesen. Eine christliche Mission aber, wie sie dann im Neuen Testament gefordert und beispielsweise in der Apostelgeschichte schon gelebt wird, ist ohne die Grundlinien des Alten Testaments undenkbar.

Es gibt einige Geschichten und Zeugnisse im Alten Testament, die diese Grundlinien besonders deutlich machen. Zwei Grundlinien möchte ich euch heute vorstellen und sie in unsere heutige Situation übertragen:

1. Das Volk Gottes als Segensträger
Die Geschichten um Abraham, Isaak und Jakob gleich am Anfang der Bibel gehören zu den beliebtesten Erzählungen des Alten Testaments. Es werden uns in diesen Geschichten Männer und Frauen vor Augen geführt, die als Einzelne, oder in ihren Familien Repräsentanten des Gottesvolkes sind. Und ein großes Thema verbindet alle diese Geschichten in besonderer Weise: der Segen. Am eindrücklichsten steht dafür die Verheißung Gottes an Abraham. Gott sagt zu Abraham in Gen 12,1-3:

»Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. 2 Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. 3 Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden.«

Das sind Worte, die im damaligen Orient eher einem König zugesprochen wurden, als einem einfachen Menschen wie Abraham. Er und später das ganze Volk Israel wird zum Segensträger Gottes auf Erden. Diese Segensträgerschaft ist nichts geringeres als die Gegenwart Gottes hier auf Erden. Indem Abraham und später das Volk Gottes den Segen in die Welt trägt, trägt sie die Gegenwart Gottes in die Welt. Gott will die Welt und die Menschen die in ihr leben, segnen. Dies ist der erste missionarische Auftrag Gottes im Alten Testament. Abraham, das Volk Gottes sind Segensträger –

Gott erwählt Menschen, Segensträger zu sein. So schlicht die Erzählungen des Alten Testaments manchmal auch sind, so anspruchsvoll und herausfordernd sind die Geschichten aber für unsere Fragen: Also, was bedeuten die Erzählungen von der Erwählung Abrahams, und dem daraus entstandenen Volk Israel, als universale Segensträger, was bedeutet das für das christliche Gottesvolk heute, also für uns?  Und was hat das mit christlicher Mission zu tun?

Einen zentralen Aspekt können wir auch für uns heute festhalten: Wenn Mission etwas damit zu tun hat, dass wir Segensträger für und in dieser Welt sind, dann geht es bei der Mission nicht nur um die Frage nach dem göttlichen Seelenheil. Sondern es geht bei der Segensträgerschaft auch um die Frage nach dem Wohl des Menschen hier auf Erden.

Wer Segensträger Gottes ist, der hat sich um die vielen praktischen Fragen der Menschen zu kümmern. Der hat sich den herausfordernden sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen im eigenen und in anderen Ländern zu stellen. Der darf sich da nicht rausziehen, sondern muss diese Fragen mitgestalten und Antworten darauf geben, wie soziale und wirtschaftliche Fragen aus christlicher Perspektive zu beantworten sind.

Außerdem fordert uns diese Perspektive auf die Mission Gottes auch bezüglich des Verhältnisses von Mission und Toleranz heraus. Wenn dein Nachbar ein moralisch unanständiger Mensch ist oder dein Nachbar Dinge tut, die für dich und dein christliches Weltbild überhaupt nicht gehen, bist du dann trotzdem bereit deinem Nachbarn ein Segen zu sein?

Grundsätzlich müssen wir uns die Frage stellen, ob wir als Gemeinde, oder du ganz persönlich überhaupt noch an der Welt teilnimmst? Ich meine, wie wollen wir Segensträger sein, wenn wir uns gegenüber der Welt nur in einem Abgrenzungsmodus befinden? Natürlich wollen wir an der Wahrheit des Evangelium festhalten, doch wie verbinden wir das als Segensträger in der Welt? Ich denke, hier hilft die Unterscheidung zwischen Wohl und Heil des Menschen. Die Mission Gottes hat nicht nur das Heil des Menschen im Blick, sondern auch ganz konkret das menschlich praktische und leibliche Anliegen. Sei es sich für menschliche Nähe oder versöhnte Beziehungen einzustehen, einfach für Menschen in ihrer Not da zu sein und so viel mehr. Wir dürfen bei allen gut gemeinten versuchen, die Menschen durch Evangelisationen, etc. zu einer Entscheidung für oder gegen Gott zu bewegen, dass ganz weltliche Wohl des Menschen nicht völlig außer Acht lassen.

Gott will durch dich segnen – und das heißt, durch dich Leben hier auf Erden erhalten und befördern, es also besser machen (was auch immer besser aus christlicher Perspektive heißt) – dazu hat Gott Abraham und das daraus entstandene Volk berufen. Die christliche Kirche und somit du und ich sind das neue Volk Gottes. Er beruft dich dazu „Segensträger“ zu sein.

Was macht das mit dir? Eine Ehre, aber auch eine Herausforderung, oder?

2. Der Psalmist und der Prophet weiß: Gottes herrliche Herrschaft (seine Mission) breitet sich überall aus!
Neben der Segensträgerschaft können wir eine weitere Grundlinie der alttestamentlichen Mission aus einigen Psalmentexten, besonders aber aus einigen Prophetentexten herauslesen. In diesen Texten entdecken wir die Ansage der alles umfassenden Herrschaft Gottes in dieser Welt. Gott ist der Herrscher dieser Welt und das soll bekannt werden. Doch wie können wir die Herrschaft Gottes erkennen und vor allem bezeugen? Zwei alttestamentliche Beispiele:

Schauen wir zunächst auf den Psalm 96,1-4:
»1 Singet dem HERRN ein neues Lied; singet dem HERRN, alle Welt! 2 Singet dem HERRN und lobet seinen Namen, verkündet von Tag zu Tag sein Heil! 3 Erzählet unter den Heiden von seiner Herrlichkeit, unter allen Völkern von seinen Wundern! 4 Denn der HERR ist groß und hoch zu loben, mehr zu fürchten als alle Götter.«

Im öffentlicher Lobpreis, also im Gottesdienst erkennt und bezeugt das Volk Gottes die weltweite Herrschaft ihres Gottes. Gott als weltweiter Herr – das ist aber nichts, was wir einfach vor Augen hätten. Nichts was der Mensch einfach so erkennen könnte. Nichts von dem wir sagen können: Guck, da ist es … Aber wir, die wir die Herrlichkeit Gottes erfahren, haben den Auftrag diese verborgene Wirklichkeit Gottes immer neu im Gottesdienst öffentlich auszusprechen. Wenn wir heute also Gottesdienst feiern, ist das mehr als Belehrung, so wie heute … , und mehr als die Feier unserer Gemeinschaft in Christus. Unser Gottesdienst vergegenwärtigt die Herrschaft Gottes. Diese tiefe Dimension von Gottesdienst als Feier der Gegenwart Gottes gehört zum Sendungsauftrag des Gottesvolkes und wurde in unserem heutigen Gottesdienst auch schon deutlich: Dirk hat uns eben im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes begrüßt. Diesen Gottesdienst feiern wir in der Gegenwart Gottes.

Gottesdienst als Verkündigung der Herrschaft Gottes ist Mission, breites im Alten Testament. Und Gott soll, und die Bibel ist sich da ganz sicher, wird in allen Völkern seine Herrschaft antreten.  Schauen wir dafür zuletzt auf den Propheten Jesaja. Jesaja heißt übersetzt = JHWH rettet. Dieser Name ist nicht nur Titel sondern Programm des Buches zugleich. Von nichts Wichtigerem handelt dieses prophetische Buch als vom Rettungswillen und von der Rettungsmacht Gottes – und zwar für alle Völker. In Jes. 60,1-4a lesen wir:

»Mach dich auf, werde Licht! Denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des HERRN ist aufgestrahlt über dir. 2 Denn sieh, Finsternis bedeckt die Erde und Wolkendunkel die Völker, über dir aber wird der HERR aufstrahlen, und seine Herrlichkeit wird erscheinen über dir. 3 Und Nationen werden zu deinem Licht gehen und Könige zu deinem strahlenden Lichtglanz. 4 Blicke auf, ringsum, und sieh: Alle haben sie sich versammelt, sind zu dir gekommen.«

Wie anders ist hier von der Gottesherrschaft und ihr Bekanntwerden in der Welt die Rede? Da gibt es kein Gottesvolk, dass sich bemüht die Herrlichkeit Gottes in einem Gottesdienst bekannt zu machen. Die Aufgabe Israels (bzw. ist hier speziell die Stadt Jerusalem gemeint) besteht einzig darin, selbst das Licht der Herrlichkeit Gottes auf dem eigenen Angesichts widerzuspiegeln. »Mach dich auf, werde Licht, denn dein Licht kommt! und die Herrlichkeit des HERRN ist aufgestrahlt über dir.«

Das Licht kommt zu dir – du kommst nicht zum Licht und du leuchtest nicht aus eigener Kraft. Das ist die Kernaussage dieser Verse. Es ist wie beim Mond, der auch nicht von selbst leuchtet. Die Sonne erleuchtet bekanntlich den Mond und nur so kann der Mond einem Seefahrer durch sein leuchten den Weg zeigen. So ist es auch bei Gott. Er ist das Licht! Göttliches Ausstrahlungskraft in dieser Welt geht von Gott aus. Gott selbst lässt Jerusalem aufstrahlen. Und wenn Gott Jerusalem aufleuchten lässt, dann hat das seine Wirkung. Dann ist Jerusalem anziehend für alle Menschen der Welt.

Was bedeutet das für uns? Auch wenn hier ausdrücklich von Jerusalem gesprochen wird, so kann man doch mit diesen Versen etwas über die Mission sagen. Christliche Mission ist die Mission Gottes. Er ist derjenige, der sie voran treibt. Er ist derjenige der leuchtet. Aber wir Christinnen und Christen, die wir uns für Gottes Mission in der Welt stark machen sind so etwas wie ganz viele helle Monde. Wenn Gott uns erleuchtet, dann sind wir Licht für diese Welt. Gott gebraucht uns um seine Herrschaft in dieser Welt aufzurichten, aber doch ist er es, der dafür verantwortlich ist.

Abschluss
Ich komme zum Schluss. Wenn wir eines über die Mission aus dem Alten Testament lernen können, dann, dass der Missionsauftrag dem Gottes Wesen entspringt. Es ist seine Ehre und seine Herrlichkeit, die Anbetung und entsprechendes Handeln (also leuchten) von uns erfordert: „Ihr Völker, bringet dar dem Herrn Ehre und Macht … die Ehre seines Namens“ heißt es in Ps 96,7.

Wir sind von Gott eingesetzt zu Segensträgern und verkündigen seine Herrlichkeit und seine Herrschaft über die Völker in unserem Gottesdienst. Wenn wir das in der Gewissheit tun, dass es Gott ist, der uns zum Licht in der Welt macht, dann offenbart sich Gottes Herrlichkeit ganz von selbst und vielleicht können wir dann irgendwann erleben, wie es im Alten Testament in 4. Mose 4,21 heißt: „Alle Welt werde voll der Herrlichkeit des Herrn“.

Wir haben einen einzigartigen Gott, von dem wir weitersagen müssen. So heißt es in  1. Chronik 16,24 „Erzählt unter den Nationen von seiner Herrlichkeit und unter allen Völkern von seinen Wundern“.

Gott ist und bleibt der gleiche. Christliche Mission fließt aus dem Wesen Gottes. Er alleine ist würdig, von Menschen angebetet zu werden – aus jedem Volk, jeder Kultur und in allen Sprache. Die ganze Welt mit seiner Botschaft und Liebe zu erreichen ist Gottes zentrales Ziel, im Alten wie im Neuen Testament. Und er beteiligt uns einfache Menschen daran; dich und mich. Ist das nicht großartig?

AMEN

Kommentar verfassen