Hoffnung – Predigt aus der Reihe „Glaube, Liebe, Hoffnung“

Zum Start in meinen Dienst, in der Freien evangelischen Gemeinde Göttingen, predigte ich über die drei Kernworte des Christentums: Glaube, Liebe, Hoffnung! Hier nun die zweite Predigt zum Thema ‚Liebe‘. Etwas länger … eher ungewöhnlich für mich!

Predigttext: Psalm 73.
Predigttitel: Hoffen in Leben und Tod.

Die evangelischen Kirchen haben neben dem apostolischen Glaubensbekenntnis (das auch unser Bekenntnis der Freien evangelischen Gemeinde ist!) noch weitere Schriften, die ihren Glaubensgeschwistern mehr oder weniger verbindlich helfen, den christlichen Glauben besser zu verstehen. Der sogenannte Heidelberger Katechismus ist die Bekenntnisschrift der reformierten Kirche und dieser Katechismus beginnt mit der Frage nach der Hoffnung. Nicht mit der Frage nach Liebe oder Glaube, nicht mit der Frage nach der Existenz Gottes. Nein, der Heidelberger Katechismus beginnt mit dem Fragen nach Hoffnung. Das ist unser Thema heute. Zum Abschluss der Themenreihe werden wir uns heute mit dem dritten Wort der drei christlichen Kernworte (Glaube, Liebe, Hoffnung) beschäftigen: Mit der Hoffnung!

Der Heidelberger Katechismus ist so aufgebaut, dass immer eine Frage gestellt wird, und dann logischerweise eine Antwort folgt. Und in der in der ersten von 128 Fragen liest man sinngemäß: „Was ist deine einzige Hoffnung (oder Trost) im Leben und im Sterben?“

Versuch´ das mal für dich zu beantworten! Ich bin der Überzeugung: Wir alle, ob wir uns jetzt Christ nennen oder nicht, wir alle brauchen eine Antwort auf diese Frage. Worauf hoffst du im Leben und im Sterben? Wer so fragt, der fragt nach dem Wichtigsten! Weil es eine Frage ist, die uns zutiefst angeht! Wir Menschen sehnen uns alle nach etwas, dass uns im Leben trägt. Nach einem tieferen Sinn, der uns auch durch Leid und Not halt gibt. „Was ist deine einzige Hoffnung im Leben und im Sterben?“ Wenn man für sich ganz persönlich eine Antwort auf diese Frage finden würde, dann kann man getrost leben: Man kann mitten im Leid Trost erfahren, mitten in den Stürmen halt haben, mitten im Streit Frieden erleben, mitten in der Dunkelheit Licht sehen und geben, mitten im Getümmel die Orientierung nicht verlieren. Jetzt wird uns klar, weshalb wir eine Antwort brauchen! Hoffnung ist das, was jeder Mensch irgendwie sucht?

Der Heidelberger Katechismus gibt uns auf unser Fragen eine tolle, ich würde sagen eine heilige Antwort. Doch die lese ich euch erst am Ende der Predigt vor. Denn der Heidelberger Katechismus bezieht sich bei seiner Antwort auf nichts anderes als auf die Bibel. Deswegen werden am Rand der Katechismusschrift immer passende Bibelstellen angegeben. Als Christen erhoffen wir uns vom Wort Gottes eine Antwort auf die Frage nach Leben und Tod. Wir hoffen darauf, dass Gott durch die Bibel zu uns spricht. Und das ist mein Wunsch, dass wir heute von Gott erfahren dürfen, was oder vielmehr wer für uns die Hoffnung in Leben und Tod ist. Deshalb möchte ich die Antwort des Heidelberger Katechismus mit einem Bibeltext verbinden, in dem es um genau diese Fragen geht. Ein großer Sänger und Dichter zur Königszeit David beschreibt in einem Psalm seine Hoffnung im Leben und seine Hoffnung im Sterben. Dieser Sänger und Dichter hieß Asaf. Ich lese uns den Psalm 73 in Abschnitten:

1 Ich weiß es: Gott ist gut zu Israel,
zu allen, die ihm mit ganzem Herzen gehorchen.

Der Psalmist stellt seine Meinung vornean. Wir Leser wissen jetzt, dieser Asaf vertraute dem Gott Israels. Ihm will er mit seinem ganzen Herzen, und das heißt in all seinem Denken und Tun, gehorchen. Aber schon im nächsten Vers beschreibt er, dass es gar nicht so einfach ist, in all seinem Denken und Tun auf Gott zu hören. Denn in seinem Umfeld gibt es Menschen, die anders Denken und anders Handeln und das scheint zunächst eine ernsthafte Alternative zu sein:

2 Doch beinahe wäre ich irregeworden, ich wäre um ein Haar zu Fall gekommen: 3 Ich war eifersüchtig auf die Menschen, die nicht nach dem Willen Gottes fragen; denn ich sah, dass es ihnen so gut geht. 4 Ihr Leben lang kennen sie keine Krankheit, gesund sind sie und wohlgenährt. 5 Sie verbringen ihre Tage ohne Sorgen und müssen sich nicht quälen wie andere Leute. 6 Ihren Hochmut tragen sie zur Schau wie einen Schmuck, ihre Gewalttätigkeit wie ein kostbares Kleid. 7 Ihr Luxusleben verführt sie zur Sünde, ihr Herz quillt über von bösen Plänen. 8 Ihre Reden sind voll von Spott und Verleumdung, mit großen Worten schüchtern sie die Leute ein. 9 Sie reißen das Maul auf und lästern den Himmel, ihre böse Zunge verschont nichts auf der Erde. 10 Darum läuft das Volk Gottes ihnen nach und lauscht begierig auf ihr Geschwätz. 11 »Gott merkt ja doch nichts!«, sagen sie. »Was weiß der da oben von dem, was hier vorgeht?« 12 So sind sie alle, die Gott verachten; sie häufen Macht und Reichtum und haben immer Glück. 13 Es war ganz umsonst, Herr, dass ich mir ein reines Gewissen bewahrte und wieder und wieder meine Unschuld bewies. 14 Ich werde ja trotzdem täglich gepeinigt, ständig bin ich vom Unglück verfolgt. 15 Aber wenn ich so reden wollte wie sie, würde ich alle verraten, die zu dir gehören. 16 Ich mühte mich ab, das alles zu verstehen, aber es schien mir ganz unmöglich.

Ein alter Psalm, aber Verse als wären sie heute geschrieben. Wir kennen das doch. Was habe ich als Christ, was der Nachbar, der von Gott nichts wissen will mehr? Lohnt sich dieses anstrengende Christsein überhaupt, wenn ich sehe, dass es Menschen besser geht, die über meinen Glauben sogar lachen? Warum hat mein Nachbar mehr Glück als ich? Diese Frage kann einen lange beschäftigen und unser ganzes Leben mit Gott lähmen. Wir sehen keinen Sinn mehr darin, unseren Nächsten zu lieben, wenn es ihm besser geht als mir. Wir sehen keinen Sinn mehr darin, Gott zu lieben, wenn er andere mehr liebt als micht. Wir kommen gar nicht mehr dazu, Gott zu loben, Jesus konkret in unserem Leben nachzufolgen, weil uns diese eine Frage beschäftigt, die auch den Psalmisten Asaf so beschäftigt: Warum habe ich mit Gott nicht mehr Glück als andere? Warum geschieht mir Unglück. Warum werde ich gar vom Unglück verfolgt und scheinbar gottlosen Menschen geht es gut? Wisst ihr mit Glück ist es so eine Sache … . Es gibt eine Erzählung, sie spielt in einem türkischen Dorf. Dort passiert es eines Tages, dass die Pferde auf der Weide den Zaun durchbrechen und in den Wald rennen. Die Bauern sind natürlich sehr aufgeregt. Sie laufen hinterher in den Wald, um die Tiere wieder einzufangen. Das gelingt ihnen auch bis auf einen. Der Bauer Hassan findet sein Pferd nicht. Es ist und bleibt verschwunden. Das ist natürlich ein bitterer Verlust, und seine Frau jammert: „Ach, aber ach! Was haben wir doch für ein Unglück!“ Aber sein alter Vater nimmt das ganz gelassen. Er sagt: „Glück oder Unglück, wer weiß das schon?“ Zwei Tage später kommt Hassans Pferd ganz von allein zurück zu seinem Stall und bringt noch ein weiteres, fremdes Pferd mit. „Hast du aber ein Glück!“, sagen die andern Bauern zu Hassan. Und wieder murmelt der Alte: „Glück oder Unglück, wer weiß das schon?“ Hassans Sohn Cemal findet das zugelaufene Pferd wunderbar. Er steigt drauf und will damit einen Ritt machen. Das geht aber nicht lange gut. Das Pferd wirft den Reiter ab und der junge Mann bricht sich ein Bein. „Wir haben doch wirklich immer wieder Unglück!“, sagt seine Mutter. Aber wieder meint der Opa: „Glück oder Unglück, wer weiß das schon?“ Ein paar Wochen später kommt die Musterungs-kommission ins Dorf. Alle jungen Bauernsöhne werden eingezogen zum Militär und müssen in den Krieg. Nur Cemal mit seinem gebrochenen Bein darf zu Hause bleiben. Die andern Bauern sagen zu Hassan: „Wir müssen unsere Söhne hergeben. Du darfst deinen behalten. Was hast du doch für ein Glück!“ – Ich breche hier ab. Man kann die Geschichte natürlich noch endlos weiterspinnen, aber „die Moral von der Geschicht’“ ist ja schon deutlich genug: Das Glück von heute kann das Unglück von morgen sein und umgekehrt. Hat das nicht jede/r auch schon selber erlebt? Der Psalmist schreibt: Ich mühte mich ab, das alles zu verstehen, aber es schien mir ganz unmöglich. Warum leben so oder so verläuft ist häufig nicht erklärbar und ich finde es immer total schwierig, wenn Menschen mir dann sagen: „Gott wollte es so!“ Oder: „Du wirst schon noch herausfinden, wozu das gut war!“ Damit versucht man aus meiner Sicht, Leid in einen größeren Zusammenhang zu stellen, der sich unserer Vernunft vollkommen entzieht und keine Antwort darauf sein kann, was uns im Leben Hoffnung gibt. Ich glaube so einfach ist die Antwort nicht. Ich bin der Meinung, dass die Hoffnung auf ein glückliches Leben zwei Punkte berücksichtigen muss.

Zum Einen gebe ich einem römischen Politiker recht, der etwa 300 v. Chr. sagte: „Jeder ist seines Glückes Schmied“. Ganz ehrlich, da ist ganz viel dran. Und die Bibel würde an manchen Stellen diesem Spruch zustimmen (Ps 1). Es hängt doch keineswegs am Zufall oder noch schlimmer an Gottes Laune, ob du glücklich bist. Es hängt an dir selber. Es hängt an deinem Fleiß, an deinem Geschick, an deiner Fantasie, an deiner Ausdauer, daran, herauszufinden welche Gaben und Fähigkeiten du hast und ob du bereit bist, sie auszubilden. Glück hängt daran, ob du Lieben kannst und dich lieben lässt. Wie der Schmied mit Kraft und Geschicklichkeit aus einem ungeformten glühenden Eisenstück ein nützliches Werkzeug schafft, so kannst und musst du dein Leben so formen, dass du glücklich sein kannst. Und zwar dauerhaft! Jeder ist seines Glückes Schmied.“ Das ist sicher eine sehr nützliche Ermahnung gegen Trägheit, Faulheit und Gleichgültigkeit. Wer sich diesen Grundsatz zu eigen macht, der wird sich alle Mühe geben, sein Leben aktiv und positiv zu gestalten. Und wenn du dann sogar bereit bist, dies in unsere Gemeinde mit einzubringen – dann Feuer frei! Aber: Im Umkehrschluss heißt das freilich auch: Wer unglücklich ist, ist selber schuld! Wer unglücklich ist, hätte ja einfach nur mehr tun müssen. Und hier wird die Weisheit des römischen Politikers schwierig. Hier kommt die andere Seite ins Spiel.

Denn was kann der einfache Bauer im Kosovo dafür, dass er mit seiner harten Arbeit nicht genug Geld verdient um seine Familie zu ernähren und sich auf macht nach Deutschland. Was kann ein Kind dafür, wenn die Fähre untergeht, mit der man das verheißene Land, also Europa, irgendwie erreichen wollte. Was kann ein Menschen dafür, der einen liebevollen Menschen verliert und ihm das den Boden unter den Füßen wegreißt!? Diese Fragen können einen Menschen quälen. Ich kann darin wirklich keinen Sinn erkennen. Und ich kann auch nicht sagen, wie man da Glück hätte besser schmieden sollen.

Asaf befindet sich auch in einer ausweglosen Situation. Wir wissen nicht genau was er hat, aber er spricht von Krankheit und Leid. Und ich liebe einfach seine Antwort. Er erkennt, dass es nicht darum geht, dass seine Hoffnung darauf abzielt toller, besser, stärker und gesünder zu sein. Sondern seine Hoffnung es ist, bei Gott zu sein. Und diese Erfahrung der Nähe Gottes ist ihm wichtiger als alles andere. Und so schreibt er mit Überzeugung:

17 Doch dann kam ich in dein Heiligtum. Da erkannte ich, wie es mit ihnen ausgeht: 18 Du stellst sie auf schlüpfrigen Boden; du verblendest sie, damit sie stürzen. 19 Ganz plötzlich ist es aus mit ihnen, sie alle nehmen ein Ende mit Schrecken. 20 Herr, wenn du aufstehst, verschwinden sie wie die Bilder eines Traumes beim Erwachen. 21 Als ich verbittert war und innerlich zerrissen, 22 da hatte ich den Verstand verloren, wie ein Stück Vieh stand ich vor dir. 23 Und dennoch gehöre ich zu dir! Du hast meine Hand ergriffen und hältst mich; 24 du leitest mich nach deinem Plan und holst mich am Ende in deine Herrlichkeit. 25 Wer im Himmel könnte mir helfen, wenn nicht du? Was soll ich mir noch wünschen auf der Erde? Ich habe doch dich! 26 Auch wenn ich Leib und Leben verliere, du, Gott, hältst mich; du bleibst mir für immer! 27 Wer sich von dir entfernt, geht zugrunde; wer dir untreu wird, den vernichtest du. 28 Ich aber setze mein Vertrauen auf dich, meinen Herrn; dir nahe zu sein ist mein ganzes Glück. Ich will weitersagen, was du getan hast.

Zunächst muss ich ganz kurz auf diese Vernichtungsverse eingehen … Asaf ist sich sicher. Das Gerüst eines selbstgerechten und selbstbezogenen, ja egoistischen Weltbildes wird zusammenfallen. Nein, nicht alles was die Welt bietet, ist schlecht. Es macht absolut keinen Sinn, das weltliche im Gegensatz zum himmlischen zu verteufeln. Vielmehr müssen wir lernen, was es heißt in der Welt zu leben. Sozusagen das himmlische im weltlichen entdecken. Aber wir dürfen das weltliche auch nicht verklären – Diese Welt mit all ihren Vorzügen ist und bleibt vergänglich. Nur einer ist ewig, nur einer ist heilig und gerecht: Gott!

Nur einer ist ewig,
nur einer ist heilig
und gerecht: Gott!

Gerade in den Situationen des Leids erkennen wir genau diese Weisheit. Wir sind vergänglich. Wieder ein anderer Psalmist: „Bedenke das du Sterben musst, auf dass du weise wirst“. Der Psalmist Asaf durfte erleben, wie ihm in seinem Leid und Schmerz die Hand Gottes entgegenkam. Er suchte Gott im Tempel und Gott fand Asaf. Gott streckte seine Hand aus und griff nach dem Vergänglichen. Das ist die christliche Hoffnung schlechthin: Das Gott uns, seine geliebten Geschöpfe, nicht der Vergänglichkeit überlässt. Sondern das er seine Hand nach uns ausstreckt und uns zu sich zieht, in seine Heiligkeit und wir schon jetzt für ewig in Gott sind. Zuhause sind! Gilt das nur Asaf – ist das eine persönliche Sache zwischen Asaf und Gott – wie können wir sagen, dass auch uns die liebevoll ausgestreckte Hand Gottes gilt? Der Heidelberger Katechismus fragt: Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben? Und die Antwort lautet:

Dass ich mit Leib und Seele im Leben und im Sterben nicht mir, sondern meinem getreuen HeilandJesus Christus gehöre. Er hat mit seinem teuren Blut für alle meine Sünden vollkommen bezahlt und mich aus aller Gewalt des Teufels erlöst; und er bewahrt mich so, dass ohne den Willen meines Vaters im Himmel kein Haar von meinem Haupt kann fallen, ja, dass mir alles zu meiner Seligkeit dienen muss. Darum macht er mich auch durch seinen Heiligen Geist des ewigen Lebens gewiss und von Herzen willig und bereit, ihm forthin zu leben.

Ich gehöre nicht mir selbst – ich mach mich nicht von mir selbst und auch nicht von den Reizen meines Umfeldes abhängig – sondern ich gehöre zu Jesus Christus, dem Sohn Gottes. Das ist die knappe und ausreichende Antwort. Jesus zu gehören gibt uns die begründet Hoffnung, im Leben und Sterben getragen zu sein, weil die Nähe Gottes in ihm Realität in dieser Welt wurde. Jesus ist die ausgestreckte Hand Gottes. So ist Gott – Der selbst in dieser Welt gelebt hat. Das ist Gott, der selbst für uns zur Hoffnung am Kreuz gelitten hat und gestorben ist für unsere Schuld. Das ist Gott, der für uns zur Hoffnung auferstanden ist von den Toten. In Jesus haben auch wir die Hoffnung auf ein Leben in der Gegenwart Gottes im Hier und Jetzt und in alle Ewigkeit. Und so können wir einstimmen in das Lob Asafs:

Ich aber setze mein Vertrauen auf dich, meinen Herrn;
dir nahe zu sein ist mein ganzes Glück.
Ich will weitersagen, was du getan hast.

Wir wissen nicht, was die Zukunft uns bringt. Die Zukunft ist immer offen. Aber wir wissen, dass Gott in dieser Zukunft ist. Unsere Hoffnung gründet im Tod und in der Auferstehung Jesu. Das ist der Grund dafür, dass wir begründete Hoffnung haben, für unser Leben und darüber hinaus.

Amen.

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