Mit dem ersten Band der Transformationsstudien (Link zur Verlagseite) ((Ein Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von Francke Verlag zur Verfügung gestellt.)) möchte Johannes Reimer (u.A. Dozent an der Theologischen Hochschule Ewersbach) den theoretischen Grund für ein missionales, gesellschaftsrelevantes Gemeindeverständnis legen. Das Buch ist nach Aussage des Autors „Einladung zum Gespräch“ und bietet dafür auch reichlich Material.
Nach einer Einführung in Situation und Aufgabe unternimmt der Autor den Versuch einer neutestamentlichen Begründung für gesellschaftsrelevanten Gemeindebau und untersucht das Neue Testament auf Hinweise dafür. Dabei ist dies auch die konsequente hermeneutische Herangehensweise, den Text bewusst auf dieses konkrete Anliegen hin zu befragen. Dass dabei die Ergebnisse „erstaunliche Einheit“ (92) aufweisen, verwundert nicht so sehr. Ähnliches geschieht im nächsten kirchenhistorischen Abschnitt, der die dargestellten gesellschaftsrelevanten Aspekte historischer Gemeindepraxis zwar umfangreich und kompetent, allerdings auch relativ unkritisch als Belege anführt. Anschließend arbeitet Reimer anhand der „Troiza“ von Andrei Rubljow heraus, wie gesellschaftsrelevanter Gemeindebau „trinitarisch“ gedacht wird, vermag den gedanklichen Sprung von der Trinität hin zum missionalen Ausgangspunkt des Konzepts aber nicht wirklich plausibel zu veranschaulichen. Einleuchtend erscheint dennoch die Kategorisierung der Mission in Missio Dei als Gottes Anliegen für die Welt, Missio Christi als inkarnatorisches Vorbild der Mission und Missio Spiritu als der pneumatologischen Grundkategorie für die Praxis. Anschließend stellt Reimer missiologische Voraussetzungen für gesellschaftsrelevanten Gemeindebau vor und kommt zu dem Schluss, dass Gemeinde wesentlich missional verfasst ist, bevor er im sechsten Kapitel ekklesiologische Aspekte untersucht und danach fragt, wie gesellschaftsrelevante Gemeinde konkret werden kann.
Reimers Studie überzeugt durch eine sehr breite Anlage und ein weit gefächertes Fachwissen, das für eine Theologie des gesellschaftsrelevanten Gemeindebaus fruchtbar gemacht wird. Nicht zuletzt das erstaunlich umfangreiche Literaturverzeichnis von 31 Seiten macht dies deutlich. Gleichzeitig trägt diese Breite allerdings dazu bei, dass vieles nur relativ einseitig dargestellt werden kann und sämtliches Material wie selbstverständlich dem Autor Belege für seine Thesen liefert. Darüber hinaus macht es das Buch zu einer recht schweren Lektüre, da fast jede der 288 Seiten mit mindestens einer neuen Überschrift versehen ist und sich viele Unterpunkte auf nur wenige Zeilen beschränken – ein „Lesefluss“ mag sich nicht recht einstellen.
Mit seinem (hermeneutischen) Ansatz, das Material auf die Frage der Gesellschaftsrelevanz hin zu untersuchen, gelingt Reimer mit diesem Buch eine beeindruckende Arbeitsgrundlage (eben kein „Lesebuch“) für die folgenden Bände der Transformationsstudien, die zudem als biblische Begründung auch mit einer Vielzahl biblischer Belege daherkommt. Ein wichtiger systematischer Aspekt, vor dem m.E. das Buch auch kritisch reflektiert werden muss, ist eine ekklesiologische Grundentscheidung: Reimer schafft (oder will) es durch die starke „externe Fokussierung“ der Gemeinde in seiner Ekklesiologie nicht, den substanziellen Eigenwert der konkreten Gemeinde explizit einzubeziehen und die Spannung von intern und extern der Gemeinde auszuhalten. Gemeinde wird nahezu ausschließlich und expressis verbis als „Instrument“ bezeichnet. Das erscheint mir für eine theologische Begründung als zu einseitig. Rein missional verstanden hört Gemeinde auf, überhaupt zu sein – sie tut nur noch.
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