Der zweite Band der Reihe „Einfach emergent“ aus dem Verlag der Francke-Buchhandlung ((Das Exemplar wurde uns freundlicherweise für diese Rezension vom Verlag zur Verfügung gestellt.)) geht der Frage nach, was der Begriff „Evangelium“ eigentlich meint. Bereits im Prolog stellen die Autoren Walter Faerber und Peter Aschoff die These auf, dass es bereits „in der Heiligen Schrift … als Geschichte und Bewegung verstanden“ (S. 9) werde.
Zu Beginn wird eine persönliche Erfahrung erzählt, die Ausgangspunkt für die Frage nach dem Evangelium ist. Ob das der Sache und dem Anliegen einer theoretischen Betrachtung angemessen ist, sei dahingestellt. Zumindest ergibt es im Duktus des gesamten Buches einen Sinn, wenn im Anschluss knapp 2000 Jahre Kirchengeschichte auf wenigen Seiten zusammengefasst werden, indem die Wirkungen des Evangeliums und die Erfahrungen der Menschen damit beschrieben werden. Die Autoren bieten einen erfrischenden kirchenhistorischen Ansatz dar, der vor allem auf die gute Seite der Historie konzentriert ist, wenn fast ausschließlich die Erfolgsgeschichten des Evangeliums erzählt werden. Es bleibt aufgrund des Zusammenspiels von Buchumfang und dargestellter Zeitspanne aber auch einiges offen oder zumindest nur thesenartig angeschnitten.
Theologisch spannend wird es eigentlich erst ab Seite 80. ((Ob es beim Evangelium tatsächlich um Macht geht, wie bereits auf den Seiten 14ff behauptet, sei hier lediglich kritisch gefragt.)) Hier bieten die Autoren nun ihr Verständnis von Evangelium als „1. die Bewegung Gottes durch die Welt … 2. eine Bewegung von Menschen, die sich dem Weg Gottes durch die Welt angeschlossen haben … [und sie hat] 3. die Geschichte der Menschheit dynamisiert.“ (S. 81f) Allein vom Wort Evangelium (griechisch für „gute Nachricht“) her muss man hier fragen, ob die Definition als Bewegung im Kern zutreffend ist. Es ist zu bezweifeln, dass es bei dem Begriff Evangelium tatsächlich um die Sache selbst geht. ((Das wäre m. E. treffender mit dem Begriff „Missio Dei“ als der Bewegung Gottes in die Welt ausgesagt.)) Eher meint der Begriff die Verkündigung der Bewegung Gottes. Die Autoren wollen das Evangelium nicht in einer „theologischen Formel … fixieren“ (S. 81), gehen doch aber sogar noch einen Schritt weiter, wenn sie nicht die Nachricht definieren, sondern tendenziell das, was die Nachricht bewirkt.
Das Bemühen, dogmatische Formeln hinter sich zu lassen und dem Wort Evangelium ein praxisnahes Gewand zu verpassen, trägt leider nicht zur Klärung des Begriffs bei, sondern rückt ihn lediglich in einen anderen Zusammenhang. Sachlich mag vieles sehr angemessen sein, was Faerber und Aschoff schreiben, allerdings nicht unter dem Stichwort Evangelium, bei dem es um die Botschaft vom Handeln Gottes für seine Welt geht. ((Vgl. dazu auch die Leuenberger Konkordie, in der sich die reformatorischen Kirchen in Europa bereits auf ein grundsätzliches Verständnis des Evangeliums verständigt haben. Eine Stellungnahme der Bundesleitung der Freien evangelischen Gemeinde in Deutschland dazu kann unter feg.de abgerufen werden.)) Von da aus ist alles andere zu denken und der qualitative Unterschied zwischen dem Handeln Gottes und dem Handeln des Menschen zu beachten – der geht leider im Buch etwas verloren. Es geht natürlich auch um Bewegung in der Welt – aber eben auch um mehr, nämlich die Rechtfertigung des Sünders aus der freien Gnade Gottes (vgl. Leuenberger Konkordie II.1).
Aus persönlich-biografischer Betroffenheit abschließend noch etwas zur Gestaltung: ((Vgl. auch die Rezension zum ersten Band.)) Sehr schönes Cover ((Gestalter: www.denisholzmueller.de)), angenehmes Format aber leider sehr leseunfreundlich gesetzt. Eine Egyptienne in gefühlter Größe von 14 Punkt unterstützt zumindest meinen Lesefluss nicht. Die Trennlinie für Fußnoten ragt teilweise in den Text hinein – dem hätte man eine Leerzeile mehr ruhig gönnen dürfen.
Fazit: Kirchenhistorisch sehr interessant und unterhaltsam, begrifflich bzw. systematisch-theologisch aber nicht zwingend einleuchtend.