Heute ist mir in der homiletischen Lektüre (Michael Herbst: Wir predigen nicht uns selbst) ein wunderbarer Satz begegnet:
„Wird das Gesetz harmlos, wird das Evangelium machtlos“.
(Klaus Eickhoff)
Beides ist untrennbar aufeinander bezogen: Wenn wir nicht nach dem Gesetz fragen (oder nach dem Willen Gottes für mein Leben oder danach, wie ich mich zu der Heiligkeit Gottes verhalten soll), habe ich das Evangelium nicht verstanden. Und wenn ich das Evangelium nicht verstanden habe, dann werde ich die falsche Motivation haben und nur krampfhaft versuchen das Gesetz zu halten.
Was denkst du? Brauchen wir mehr Evangelium um das Gesetz zu verstehen?
Bin mir nicht sicher, ob das die Pointe des Satzes von Eickhoff ist. Natürlich ist das auch eine Frage, ob nicht auch das Evangelium das Gesetz verständlich macht. Aber was Eickhoff fragt, ist ja die Frage, ob das Gesetz nicht zu kurz kommt. Das steht wohl in der gleichen Linie wie Bonhoeffers „billige Gnade“. Oder noch etwas plakativer: Gibt es das Evangelium „einfach so“ geschenkt?
Mir ist es sehr sympathisch, das Evangelium über alles andere zu erheben. Und ich glaube auch, dass das oftmals zu kurz kommt. Aber die Frage, die Eickhoff hier aufwirft, ist m.E. eine andere: Brauchen wir mehr Gesetz?
(Wir könnten auch persönlich drüber reden … aber dann bekommt es niemand mit. ;))
Zweierlei Antwort:
1. Ich denke, dass wir mehr Gesetz im christlichen Kontext brauchen! Mehr Salz und Licht. Wobei ich ganz unexegetisch die These aufstelle, dass Salz das Gesetz ist und Licht das Evangelium. Siehe Matthäus 5,16 – An den Werken wird uns die Welt erkennen aber dazu muss das Licht leuchten (Evangelium). Beides brauchen wir!
2. Tatsächlich geht aber das Evangelium dem Gesetz voraus. Nur in dem Verstehen der bedingungslosen Annahme des Menschen von Gott werde ich nach Gesetzten (wie gesagt, ich spreche lieber von Heiligung) Gottes fragen und versuchen sie zu befolgen.
Deshalb teile ich die Aussage Eickhoffs: Ohne Gesetz wird das Evangelium harmlos, weil ich die Konsequenz, die sich aus dem Evangelium ergeben, nicht verstanden habe.Ganz dialektisch: Trennen und aufeinander beziehen!
Dass das inhaltlich wohl ganz richtig ist, das will ich auch nicht infrage stellen. Aber dafür den Satz von Eickhoff in Beschlag zu nehmen, das halte ich für nicht stichhaltig. Denn der geht in eine andere Richtung (freilich kann ich das nur auf diesen einen Satz beziehen) und „bindet“ gerade das Evangelium an das Gesetz. Die Frage des Satzes ist also nicht, ob wir mehr Evangelium brauchen, um das Gesetz zu verstehen (wie du fragst), sondern vielmehr, ob wir mehr Gesetz brauchen, um das Evangelium zu verstehen. Die These, die darin steckt, ist: Evangelium haben wir genug. Wovon es mehr braucht, ist Gesetz.