Mit dem zweiten Band der Transformationsstudien führen die Herausgeber weiter, was der Missionswissenschaftler Johannes Reimer bereits im ersten Band begonnen hat. Während allerdings „Die Welt umarmen“ (amazon.de) eine Monografie war, bietet „Die Welt verändern“ (amazon.de) einen Sammelband kurzer Essays verschiedener Autoren. Das macht die Lektüre zum einen vielfältig und interessant, bringt aber auch deutliche qualitative Schwankungen mit sich. Gerade der fehlende Raum zu einer ausführlich differenzierten Darstellung der jeweiligen Fachbereiche der Autoren lässt manches verkürzt erscheinen und gelingt nur mit einiger Mühe als informierender Einstieg in eine bestimmte Frage der Gesellschaftstranformation. (Link zum Francke-Verlag) ((Das Exemplar wurde freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt.))
In einem ersten Teil fragen die Autoren nach „Transformation als Thema der Theologie“ und gerade hier spürt man deutlich deren evangelikale Prägung. Diese äußert sich positiv in einem den Autoren durchweg anzumerkenden Engagement für die Sache, lassen aber an mancher Stelle auch eine notwendige (theologische) Distanz vermissen. Als Vertreter eines häufig im Band vorzufindendes Phänomen wartet der Beitrag von Volker Brecht mit einer großen Fülle an biblischen Verweisen in Klammern auf, die nicht nur die Lesbarkeit erschwert, sondern teilweise den Eindruck erweckt, als verlagere man die eigentliche Argumentationskraft vom eigenen Gedankengang auf biblische Argumente. Was als biblische Fundierung durchaus positiv zu bewerten ist, weckt auf der anderen Seite den Wunsch nach Mut zu einer deutlicher auch in sich schlüssigen Argumentation.
Der zweite Teil der Studien beschäftigt sich mit „Intradisziplinarität als Denkrahmen“. Man bekommt hier einen schönen Einblick in das Feld des intradisziplinären Arbeitens als der konsequenten Verbindung von Kompetenzen unterschiedlicher Fachbereiche, insbesondere der Zusammenarbeit von Theologie und Sozialwissenschaften. Die ist nötig, weil „Gesellschaftstransformation“ immer als Schnittmenge mehrerer Bereiche zu sehen ist („Soziologie, Soziale Arbeit, Praktische Theologie, Diakonie und Missionswissenschaft“ Faix, 99) und sich nicht mit Theologie allein umsetzen lässt. Der Abschlussbeitrag dieses Teils bietet mit dem Beitrag von Marlene Enns zu „Erziehung und Bildung in Schule und Gemeinde aus biblisch theologischer Sicht“ ein m.E. unter heutigen Bedingungen nur noch schwer zu rechtfertigendes Bild von Wahrheit und Bildung, das ihr zufolge zu einer anzustrebenden „globalen Theologie“ (Enns, 152) führe. Deren wahre Inhalte seien das Wissen, dass es durch Bildung zu vermitteln gelte. Weder der absolute und ideale Wahrheitsbegriff, noch das Verständnis von Bildung als Wissensvermittlung erscheinen mir tragfähig.
Teil drei „Transformation in der Kirchengeschichte“ bietet einen umfangreichen Einblick in verschiedene gesellschaftstransformative Prozesse der Geschichte. Einen beeindruckenden und unter postmodernen Bedingungen m.E. tragfähigen Entwurf zeichnet Ebeling in seiner Darstellung der Bonhoefferschen Formel „Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist“.
Im letzten Teil geht es abschließend um die „Praxis transformatorischer Theologie“ mit der impliziten Frage, wie und in welchen Bereichen Gesellschaftstransformation in Gang kommen kann. Besonders interessant ist hier Alfred Meiers Beitrag zu einer „Theologie der Tat“, auch wenn er mit seinem Aufsatz ein für den zu Verfügung stehenden Umfang zu großes Eisen anfasst.
Mit „Die Welt verändern“ hat man als Interessierter einen großen Fundus an Anlaufstellen zur weiteren Beschäftigung mit dem Thema über den Band hinaus. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger. Das Buch leidet inhaltlich darunter, dass zu vieles auf zu wenig Raum bearbeitet wird, gleichzeitig aber durch die Fülle an Themen in Ganzen doch sehr umfangreich wird. Eine deutlichere Fokussierung auf einzelne Bereiche sowie in den Bereichen selbst hätte m.E. gut getan und wäre dem Transfer in die Denk- und Lebenswelt des Lesers dienlich gewesen.
Aus der Reihe „Transformationsstudien“ bisher ebenfalls rezensiert:
Band 1: Die Welt umarmen
Band 3: Die Welt verstehen