Dieses Buch hat es tatsächlich verdient, in ein so hübsches Cover eingepackt zu werden, das passend die liturgische Farbe violett (steht für die Vorbereitung auf hohe christliche Feiertage) trägt. Der ehemalige anglikanische Bischof und Professor für Neues Testament Nicholas Thomas Wright legt eine faszinierende Perspektive auf den Mann aus Nazareth vor, die ein durchweg positives, veränderndes Bild des Menschen Jesus zeichnet.
Wright gliedert sein Buch in drei große Abschnitte, deren erster grundlegende Fragen historischer und hermeneutischer Natur bearbeitet. Im zweiten Teil wirft er einen inhaltlichen Blick auf das Leben von Jesus bevor er im dritten die Frage bedenkt, was „Herrschaft Jesu“ heute bedeuten kann.
Auf die inhaltlichen Aspekte des Buches soll hier nicht in erster Linie eingegangen werden. Was letztlich beeindruckt, ist die argumentative Konzeption. Wright schafft es, auch teilweise komplizierte Sachverhalte in einfache Sprache zu packen, die (fast) jeden wissenschaftlichen Duktus in positiver Weise ablegt und so zum Verständnis der Sache beiträgt. Der Autor jongliert argumentativ mit den zwei plakativen Extremen von „konservativer“ und „liberaler“ Theologie und sucht einen konstruktiven Mittelweg, der aber zu keiner Zeit wie Flucht vor einem Standpunkt wirkt, sondern den Wunsch erkennen lässt, beides in gewisser Weise miteinander zu versöhnen bzw. einander näher zu bringen. Dies gelingt ihm zum einen durch die konzentrierte Betrachtung des irdischen Jesus bei gleichzeitiger Betonung des bleibenden himmlischen Anspruchs und zum anderen durch ein bemerkenswert mutiges Vorgehen: Wright lässt Dinge offen. Er versucht nicht, auf alle angesprochenen Themen eine eindeutige und detaillierte Antwort zu geben, sondern legt die Priorität immer wieder auf Bedeutung statt Faktum, ohne Tatsachen der Unwichtigkeit zu übergeben. Darin können sich sowohl diejenigen wiederfinden, denen historische Fakten wichtig sind als auch diejenigen, bei denen diese keine so große Rolle spielen. Wright hält Immanenz und Transzendenz über weite Teile zusammen und fokussiert damit auf das Gemeinsame und regt dennoch immer wieder in viele Richtungen zum Nachdenken an.
„JESUS“ eignet sich durch die Konzeption sowohl als leichtere Lektüre neben wissenschaftlichen Arbeiten, als auch zur etwas anspruchsvolleren Bettlektüre. Wright überfrachtet es nicht mit historischem Wissen, sondern geht – den Ballast kleinlicher exegetischer und historischer Beweisführung abwerfend – schon einen Schritt weiter zur Deutung, jedoch ohne den Leser dabei abzuhängen. Die Stärke des Buches liegt besonders darin, die Bedeutung des Jesus von Nazareth für heute deutlich zu machen und eingefahrene Denkstrukturen über den christlichen Glauben zu hinterfragen. Was bleibt ist ein ansprechendes, liebevolles und einladendes Bild des Menschen, der die Königsherrschaft Gottes in aller Konsequenz und Unpopularität als verändernde Kraft, die unsere Welt zu einem besseren Ort macht, verkündigt und gelebt hat.