(Zuerst veröffentlicht in komm! 1/13) ((Foto: Livepiccs.de / photocase.com))
Wenn Dominick Cobb sich nicht ganz sicher ist, womit er es gerade zu tun hat, dreht er seinen Kreisel. Fällt er um, ist Dom wach. Dreht er sich immer weiter, träumt er. Damit hat Dom ein wunderbares Mittel gegen seine Zweifel. Denn was echt ist und was nicht, ist in seiner Welt nicht immer ganz eindeutig. Denn Dom arbeitet in einer Traumwelt – im wahrsten Sinne.
Dom ist der Held aus dem Kinoknaller „Inception“. Und immer wieder zweifelt er, denn die Grenze zwischen Traum und Realität ist manchmal etwas verschwommen. Träumt er? Ist er wach? Wenn er sich das wieder einmal fragt, dann holt er seinen Kreisel aus der Tasche und weiß, was Sache ist. Wäre ich Dom, dann … ja, es könnte dann doch alles so einfach sein. Ich hole meinen kleinen Kreisel aus der Tasche, drehe ihn – und buchstäblich im Handumdrehen weiß ich, woran ich bin. Doch so einfach ist das nicht, denn ich lebe zwar nicht im Film, aber doch irgendwie in einer anderen Realität – ich bin Christ. Ich glaube an eine Realität, die ein Gott in der Hand hält, den ich nicht sehen kann. Den ich erst recht nicht beweisen kann. Und manchmal bin ich mir noch nicht einmal sicher, ob ich ihn überhaupt erleben kann. Ich bin ein Zweifler.
Was sind überhaupt Zweifel?
Zweifel haben für mich etwas vom Abwürgen eines Autos. Ich erinnere mich noch gut an meine ersten Fahrten in Papas Golf. Da hat man es allmählich im Griff, das Auto läuft relativ flüssig daher, der Duft von Freiheit strömt mir durch die auf zwei geschaltete Lüftung in die Nase, ich sehe mich schon im eigenen Cabrio durch den nächsten Sommer in den blutroten Sonnenuntergang cruisen, als plötzlich und unerwartet: BLURP! Abgewürgt. Von einem zum nächsten Moment sieht die eben noch so rosige Welt ziemlich grau aus. Panisch versuche ich, irgendwie weiterzufahren, damit das Gehupe hinter mir endlich leiser wird.
Beim Zweifeln ist das ganz ähnlich. Etwas ist ins Stocken geraten. Eine Meinung überzeugt mich nicht: „Das glaub’ ich dir nicht!“ Eine Überzeugung, die ich eben noch hatte, kommt plötzlich ins Wanken: „Liebt Gott mich wirklich?“ Im schlimmsten Fall zieht es mir den Boden unter den Füßen weg: „Was? Gott gibt’s vielleicht gar nicht?“ Was würdest du darum geben, jetzt so einen Kreisel in der Tasche zu haben, ihn rausholen zu können, zu drehen und sofort wieder Sicherheit zu haben? So ein Kreisel … zwei Dinge daran sind ein gutes Bild für den Umgang mit Zweifeln: Erstens tut Dom aus Inception etwas für seine Gewissheit und zweitens hat er tatsächlich etwas Verlässliches, das ihm diese Gewissheit immer wieder gibt.
Kreiseln nach Gewissheit
Mit dieser Gewissheit ist das so eine Sache. Denn das Wort benutzt man heute kaum noch – und dabei passt es gerade im Bezug auf Zweifel so gut. Gewissheit ist weder dasselbe wie Wahrheit, noch ist sie dasselbe wie Sicherheit. Trotzdem ist sie doch irgendwie meine Wahrheit und meine Sicherheit. Etwas verwirrend, oder? Stell dir vor, du hörst auf einer Party plötzlich einen tollen Song, zückst dein Smartphone und weißt innerhalb von Sekunden, wie dein neuer Lieblingssong heißt. Selbstverständlich spielst du ihn deiner besten Freundin vor, doch die findet ihn völlig bescheuert. Und nun? Dass dieser Song tatsächlich der beste von allen ist, ist gar nicht mehr so sicher. Für deine Freundin ist das auch nicht wahr. Aber für dich ist das sicher, für dich ist das wahr. Das ist Gewissheit. Selbst wenn die ganze Welt dich vom Gegenteil überzeugen will, kannst du dir doch selbst gewiss sein, dass dieser eine Song dein Lieblingssong ist.
Das Fiese am Zweifeln ist jetzt aber, dass sie nicht unbedingt Wahrheit angreifen, auch nicht zwingend Sicherheit, sondern deine Gewissheit. Plötzlich ergibt das Sinn, was alle anderen sagen. Was du selbst glaubst, kommt dir selbst blöd vor. Was tun? Was kann man machen, wenn einen die Zweifel überrollen? Wenn auf einmal diese ganze Sache mit Gott nicht mehr so überzeugend ist, wie sie es für dich eigentlich immer war? OK, ich muss zugeben, was ich eben über den Kreisel gesagt habe, ist nur halbrichtig. Denn machen kann man letztlich nicht viel. Gott kann man nicht beweisen. Trotzdem finde ich, dass der Kreisel ein wunderbares Bild ist. Denn was passiert genau, wenn man einen Kreisel dreht? Richtig … man lässt ihn los! Man muss das sogar machen – oder hast du schon einmal versucht, einen Kreisel dauerhaft zu drehen? Man kann einmal kurz Schwung holen, danach muss man die Sache wortwörtlich aus der Hand geben.
Thomas, der Kreisler
In der Bibel lesen wir von einem der Jünger, der auch Zweifel hatte (nachzulesen in Johannes 20). Er hatte gerade erst erlebt, wie man Jesus hingerichtet hatte. Den, dem Thomas die ganze Zeit nachgelaufen war, bei dem er so viel gelernt und von dem er sich so viel erhofft hatte. Kurz darauf wollen Thomas’ Freunde ihm doch tatsächlich weismachen, sie hätten Jesus gesehen. Ich stelle mir vor, wie Thomas reagierte: „Ja klaaaar … ich glaub’ es hackt! Den Herrn gesehen. Sorry, das kann ich nicht glauben.“ Thomas ist ehrlich zu seinen Mitjüngern und zu sich selbst. Das kann er nicht glauben. Und ganz ehrlich, das ist doch auch völlig verständlich, oder? Seine Freunde erzählen ihm etwas, was eigentlich niemand glauben kann. Etwas vollkommen unglaubliches. Auch seine folgende Reaktion finde ich absolut verständlich. „Ich muss das selbst sehen, sonst kann ich es nicht glauben.“ Thomas sagt sehr deutlich, was er braucht, um seine Zweifel zu überwinden. Und dann scheint er es aus der Hand zu geben. Was will er auch tun? Klar, er könnte Jesus überall suchen. Aber bitte wie anstrengend hätte das gewesen sein müssen, jemanden zu suchen, von dem man nicht einmal glaubt, dass man ihn finden könnte!? Thomas hat den Kreisel in Schwung gebracht, und dann das einzig richtige getan: Er hat es in Gottes Hand gelegt – und er wird am Ende nicht enttäuscht, denn Jesus begegnet ihm!
Wir versuchen immer so viel zu tun, um uns an Gott festzukrallen, bloß nicht aus seiner Hand zu fallen. Dabei übersehen wir doch so oft: Nicht wir sind es, die sich krampfhaft an Gott festhalten müssen, sondern Gott ist es, der uns festhält. Es würde uns wohl manches mal ganz gut tun, loszulassen. Uns nicht unter den Druck zu setzen, selbst ständig etwas machen zu müssen, sondern Gott machen zu lassen.
Gewissheit durch Kreiseln
Zurück zum Kreisel. Wie schon gesagt finde ich an diesem Bild toll, dass der Inception-Held Dom damit etwas Handfestes hat, um Gewissheit zu bekommen. Jedes mal, wenn er den Kreisel dreht, spielen zwei Dinge miteinander: Sinneswahrnehmung und Gedanken. Letzteres ist es meistens auch, was Probleme macht, wenn man zweifelt. Ich zweifle ja (in der Regel) nicht an dem, was ich sehen, tasten, riechen, schmecken oder hören kann, sondern an dem, was ich denke oder glaube. Und das schöne an dem Kreiselbild ist: Das eine hilft dem anderen auf die Sprünge. Wenn die Gedanken mal nicht hinterherkommen, dann hast du ja noch deine Sinne. „Kneif’ mich mal!“ ist dafür das vielleicht bekannteste Beispiel.
Jetzt haben wir es aber als Christen etwas schwerer. Das, woran wir glauben, kann man nicht sehen, schmecken, riechen, anfassen oder hören. Deswegen kommt es ja auch dazu, dass man irgendwann mal daran zweifelt. Da wäre es echt praktisch, einen Kreisel in der Tasche zu haben, der die Zweifel wegschleudert und durch die Sinne den Gedanken unter die Arme greift. Ein Kreisel ist es zwar nicht, aber Gott hat uns trotzdem etwas wie ich finde ganz ähnliches gegeben: Taufe und Abendmahl.
Zwei Kreisel: Taufe und Abendmahl
Man versteht die beiden oft als etwas, was wir Menschen tun. Entweder, um in der Taufe unseren Glauben zu bezeugen, oder um uns beim Abendmahl an Jesus zu erinnern. Ich versuche beides immer öfter von der anderen Seite zu sehen, so wird es mir immer mehr zum Kreisel. In der Taufe tue nicht ich etwas, sondern Gott tut. Er sagt mir für meine Sinne spürbar zu (als ich in der eiskalten Nordsee getauft wurde war das tatsächlich mit allen Sinnen spürbar …), dass ich zu ihm gehöre, dass er mich neu macht. Nicht weil ich etwas tolles getan habe – auch nicht indem ich getauft werde – sondern weil Jesus alles für mich getan hat. Übrigens ist die Taufe einmalig – deshalb lohnt es sich, Fotos und Videos davon zu machen, damit man sich die immer wieder anschauen kann. Für die regelmäßige Erinnerung gibt es aber das Abendmahl. Da muss nicht ich mich anstrengen, um mich zu erinnern, sondern ich werde daran erinnert, dass Jesus alles für mich gegeben hat, gerade damit ich nichts mehr tun muss. Wenn man das mal so sieht, dann sind Taufe und Abendmahl keine tollen Leistungen mehr, die ich für Gott erbringe. Vielmehr sind sie dann Gottes überwältigende Leistung für dich – aus Liebe zu dir (Johannes 3,16), weil du es ihm wert bist! Dann sind es vielleicht deine Kreisel, die dich mit allen Sinnen daran erinnern, dass Gottes Liebe auch gilt, wenn du mal daran zweifelst.
Zweifel sind total ätzend, aber sie müssen nicht das letzte Wort haben. Denn mit jedem überstandenen Zweifel steigt die Gewissheit, dass Gott mich hält. Wir können uns nicht aus eigener Kraft an Gott festkrallen, sondern Gott hält uns fest. Auch in Krisen.