Bielefelder Bibel – Die Heilige Schrift in lesefreundlicher Form.

Dieses Projekt ließ mein Herz als Mediengestalter und Theologe schon höher schlagen, als ich nur die Idee gelesen habe: „Die Bielefelder Bibel ist eine neuartige Bibelausgabe, welche die Eigenart der biblischen Bücher und die emotionale Klangfarbe ihrer Texte durch schriftgestalterische Elemente in Szene setzt.“ ((So auf der Website www.bielefelder-bibel.de.)) Nun liegt sie vor mir und ich will sehen, was von der ersten Begeisterung bleibt.

Erster Eindruck

Bielefelder Bibel - BuchcoverDas Buch kommt in einem klassischen, rustikal wirkenden beigefarbenen Leineneinband mit schwarzem Prägedruck daher. Etwas zu rustikal, denn das macht zwar einiges her, aber nur solange man nicht zu genau hinschaut. Bei näherem betrachten knabbert die grobe Leinentextur doch etwas an den Buchstaben. Tut dem Gesamteindruck aber keinen Abbruch: Hier hat sich jemand gestalterische Gedanken bis in Materialfragen hinein gemacht. Die grüne Banderole gibt einen dezenten Farbakzent, der mit dem antiquarisch anmutenden Leinen wunderbar harmoniert.

Schon der Schriftzug „BIELEFEDER BIBEL“ – eine Kombination aus serifenloser und serifenbetonter Schrift – lässt erahnen, dass man es mit einem typografisch facettenreichen Satz zu tun bekommt.

Erster Blick hinein

Bielefelder Bibel – InhaltsverzeichnisDieser Eindruck festigt sich bereits im Inhaltsverzeichnis. Die Seitenzahlen sind optisch eigenständig und doch eindeutig zugeordnet – die üblichen Tabulatorfüllzeichen werden so unnötig. Die Gestaltung der Bücherüberschriften unterscheidet durch Auszeichnungen vollständigen und gesprochenen Titeln. Die Anordnung in zwei Spalten macht (zumindest für Bibelkenner*innen) die Überschriften „Altes Testament“ und „Neues Testament“ überflüssig und erhöht so die Übersichtlichkeit.

Bielefelder Bibel – AnmerkungenEin Nachwort erzählt die interessante Geschichte und auf Norbert Lohfink zurückgehende Idee des Projekts, eine komplette Bibelausgabe in lesefreundlicher Form herauszugeben – die vorliegende Auswahlausgabe ist gewissermaßen eine Vorabveröffentlichung, bevor irgendwann eine fünfbändige Gesamtausgabe folgt. Etwas schade ist, dass ein so zeitgemäß gestaltetes Buch diese Zeitgemäßheit nicht in der Sprache einholt: es finden sich häufiger ausschließlich maskuline Bezeichnungen (z. B. „Leser“ statt „Leserinnen und Leser“ o. Ä.).

Ein weiterer Anhang verzeichnet eine sehr knappe und praktische Übersicht aller Bücher, in der man über Inhalt, Kernbotschaft, Gattung, Tonalität, Gestaltung und Gestalter*innen Auskunft erhält.

Als Übersetzung ist im Übrigen die Bibel aus dem Verlag Herder – der auch die Bielefelder Bibel verlegt – benutzt worden. Sie zeichnet sich durch eine nüchterne Sprache und große Nähe zum Grundtext aus. Eine Einschätzung bietet die Deutsche Bibelgesellschaft hier.

In medias res: Die gestalteten Bibeltexte

Die Bielefelder Bibel verfolgt insbesondere das Anliegen, die verschiedenen Textformen (Gattungen) der Bibel grafisch umzusetzen und sichtbar zu machen. Darüber hinaus werden sprachliche Besonderheiten grafisch hervorgehoben. Betrachten wir kurz zwei ausgewählte Beispiele:

Genesis

Bielefelder Bibel – GenesisMan muss gar etwas aufpassen, um manche Textteile nicht zu überlesen, weil den Worten so ungewohnt viel Platz eingeräumt wird. So übersieht man leicht den linksseitig gesetzten Beginn der Genesis, weil das „ES WERDE LICHT!“ auf der rechten Seite ein optisches Übergewicht bekommt, das den Text allerdings großartig strukturiert, wie auch die weiteren göttlichen Schöpfungsworte. Das verschafft ihnen Raum, und betrachtet man allein die Seite etwas länger, ohne sie gleich genau zu lesen, so beginnt schon das Schriftbild zu „reden“. Eine interessante ästhetische Erfahrung, irgendwo zwischen Lesen und Betrachten.

Interessant ist auch der Übergang zwischen Genesis 1 und Genesis 2 – vom zentriert und sehr großzügig gesetzten, protokollartigen Bericht hinüber in einen Fließtext, der an einen Roman erinnert. Man wird unmittelbar mit hineingenommen in den literarischen Umbruch, der sich im Text auftut.

Matthäusevangelium

Mt ZitateDer Satz des Matthäusevangeliums ist sehr variabel gehalten, was dem Text sehr entspricht. Die Genealogie ist tabellarisch gehalten, wobei die Anordnung der drei inhaltlichen Reihen (dreimal 14 Generationen) nicht so recht einleuchtet und etwas zufällig wirkt. Sehr schön ist die deutliche Absetzung der vom Mt häufiger verwendeten Zitate aus dem Ersten Testament. Insgesamt spielt die Typografie im Mt mit Einzügen, die den Text von wiederkehrenden Elementen her gliedern und so schon optisch gedankliche Übergänge vorbereitet.

Weitere Beobachtungen

Etwas störend für die Übersichtlichkeit ist die Tatsache, das Versangabe und Seitenzahl am unteren Seitenrand direkt nebeneinander stehen. Das verwirrt auf den ersten Blick.

Fazit

Die Bielefelder Bibel ist ein ganz wunderbares Projekt für Bibel- und Gestaltungsliebhaber*innen. Es macht Lust, die Texte einmal ganz neu – auch optisch – auf sich wirken zu lassen und trägt so der Tatsache Rechnung, dass die biblischen Texte nicht einfach so „reden“, sondern zum Sprechen gebracht werden müssen und wollen. Das gelingt den Beteiligten des Projektes an vielen Stellen äußerst gut.

Ein letztes Wort: Über den praktischen Alltagsnutzen freilich kann man geteilter Meinung sein – dafür ist das Buch schlicht zu groß und schwer. Und eben (noch) nicht vollständig. Daher wäre ein mögliches Einsatzgebiet vielleicht die Platzierung auf einem schön arrangierten und für alle zugänglichen Abendmahlstisch/Altar im Gottesdienstraum.

 

Preis: 69 €

Link zum Verlag Herder: https://www.herder.de/religion-theologie-shop/bielefelder-bibel-gebundene-ausgabe/c-25/p-5391/

Link zu Amazon.de: http://amzn.to/29a0pyo

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