Thorsten Dietz – Weiterglauben

Die Flügel der Kirche gehen weit auseinander – vielleicht könnte man so das Problem beschreiben, dem Thorsten Dietz nachgeht. Nach »Sünde« (Amazon.de) legt der Professor für Systematische Theologie und mittlerweile bekannte Worthaus-Redner sein zweites populärwissenschaftliches Buch nach, das gleich mal die Amazon-Charts stürmte: »Weiterglauben – Warum man einen großen Gott nicht klein denken kann« (Amazon.de). Ob die Zerreißprobe zwischen den kirchlichen Flügeln allerdings ein Sturz- oder Höhenflug wird, ist gar nicht mal so klar. Die Hoffnung jedenfalls hält Dietz am Leben und deutet Wege an, wie es gehen könnte.

Er stellt im Wesentlichen die Frage nach den großen Lagern in den Kirchen, von konservativ hin zu progressiv und liberal und wie sie alle heißen mögen. Neben der grundlegenden Frage über das Auseinanderdriften der christlichen Welt und die Sehnsucht nach Eindeutigkeiten spielt besonders die Frage nach dem Bibelverständnis eine große Rolle. Was ist Bibel? (Wie) kann man mit ihr ethische Urteile finden? Ist alles in ihr wahr? Was ist überhaupt Wahrheit und wer hat sie? Welche Rolle spielt bei all dem die Kirche?

Der Autor versucht zu vermitteln. Das tut er zum einen inhaltlich, weil er aufzeigt, wie Extrempositionen in die Irre führen. Das macht er aber auch exemplarisch, indem er vermeintlich konservative Theologen* mit vermeintlich liberalen/progressiven Positionen zu Wort kommen lässt – und umgekehrt. Allein das vermag – zumindest sei dem Buch das zu wünschen – manches Vorurteil abzubauen, weil man merkt, dass die Fronten eigentlich gar nicht so klar sind, wie man es vielleicht dachte. Dass Dietz nicht völlig neutral an die Sache herangeht, versteht sich von selbst. Aber man spürt ihm Diskurserfahrung ab und den Wunsch, Brücken zu bauen.

Das Buch sei allen empfohlen, die liberal und progressiv in Glaubensfragen als Schimpfworte verstehen. Es sei aber ebenso jenen als Spiegel vorgehalten, die sich (ohne ihr Wollen) in ihrem Freischwimmen im großen Meer der Beliebigkeit verlieren. Thorsten Dietz macht beiden Seiten Mut: den „Engen“ zur Weite, den „Freien“ zur Tradition.

Abschließend wenige formale Beobachtungen:

  • Wenn ich richtig sehe, werden ausschließlich Männer als Referenzen herangezogen. Das verwundert etwas nach Dietz’ Worthaus-Gender-Reihe (hier, hier und hier), ebenso die weitgehend männliche Sprache (neben gelegentlichem Binnen-I und einzelnen Zweifachnennungen). Womöglich ein Zugeständnis an das vermutete Publikum?
  • Das Druckbild lässt zu wünschen übrig, die Schrift franst am Rand aus, was zu einem leichten Eindruck von Unschärfe führt.
  • Der Verweis auf moderne Medien in den Fußnoten ist sehr zu begrüßen. Das schafft weniger Distanz als der Nachweis von Fachliteratur. Allerdings hätte man die YouTube-Links kürzen können (z.B. S. 103, Anm. 66). Zum einen gibt der Zusatz „&t=8s“ lediglich die (in diesem Fall irrelevante) Abspielposition an. Zum anderen wäre es für die Leser/innen einfacher gewesen, der von YouTube selbst angebotenen Kurzlink zu verwenden: https://youtu.be/Z4AuhVEvp4I. Noch lesefreundlicher wäre die Nutzung einer (eigenen) URL-Weiterleitung mit einem „sprechenden“ Link, etwa durchgängig www.brendow.de/weiterglauben/anm66 oder ähnlich. Vielleicht in der (sicher folgenden) zweiten Auflage.

Informationen auf der Seite des Brendow-Verlages.

3 thoughts on “Thorsten Dietz – Weiterglauben

  1. Danke für die schöne Besprechung und die Hinweise zu den YouTbe-Links, das werden wir bei einer zweiten Auflage sicher im Auge behalten. Das mit dem Druckbild haben wir bei den Exemplaren im Haus nicht erkennen können, hoffen wir mal, dass es eine Ausnahme war 🙂

    Viele Grüße
    Das Team von Brendow

Kommentar verfassen