Eines der vielleicht aktuellsten Themen im Bereich von Kirche und Gemeinde ist „Emerging Church“ – zumindest scheint es so. Man hört immer wieder einmal davon, aber so richtig greifen kann man es nicht. Tobias Künkler, Tobias Faix und Arne Bachmann versuchen im ersten Band der Reihe „Einfach emergent“ aus dem Verlag der Francke-Buchhandlung ((Das Exemplar wurde uns freundlicherweise für diese Rezension vom Verlag zur Verfügung gestellt.)) zu erklären, was hinter „Emerging Church“ überhaupt steckt. Dabei erweisen sie sich als selbst Beteiligte, die durchaus wissen, was im „emergenten Dialog“ passiert.
Die „Emergent Bewegung“, die sich in erster Linie als Dialog versteht (Kapitel 1) geht den Autoren zufolge davon aus, dass sich unsere Gesellschaft in einem tiefgreifenden kulturellen Wandel befindet (Kapitel 2). Worin genau dieser Wandel besteht, das bleibt leider etwas blass. Die Autoren nehmen sich aber auch selbst die Erklärungsarbeit ab, indem sie den Wandel als „Binsenweisheit“ (S. 18) abtun. Ein wichtiges Merkmal des emergenten Dialogs zeige sich darin, dem Wandel aktiv zu begegnen, nicht nur re-aktiv.
Die informativen Kapitel 3 (international) und 4 (national) beschäftigen sich mit der Entstehung von „Emerging Church“, die besonders in der Netzwerktätigkeit derer zu sehen sei, die neue Wege des Christentums denken und entwickeln wollten. Leider taucht erst im vierten Kapitel eine grobe Erklärung des Begriffs „emergent“ auf – viel zu spät und inhaltlich auch zu knapp.
Unter dem Titel „Theologische Verschiebungen“ versuchen die Autoren die tieferliegenden Gründe für die aufgekommene Bewegung zu sehen. Diese bestehe vor allem in einem veränderten Verständnis des Evangeliums, das nicht mehr nur seelisches Heil im jenseits bedeute, sondern auch konkrete Auswirkungen auf das aktuelle Leben in der (kulturellen) Welt und auch hier etwas zu bieten habe. Mit diesem Kapitel bieten die Autoren einen guten Denkeinstieg über ein verändertes, geweitetes Evangelium. Sie hätten aber in der Gegenüberstellung von Rick Warren und Brian McLaren ((Beide werden bewusst nicht genannt, aber ihre Vorworte in Dan Kimballs Buch „Emerging Church“ werden als zwei Richtungen zitiert: Warren will den Inhalt des Evangeliums bewahren („nicht verwässern“) und daher den kulturellen Wandel auch eher kritisch betrachten. McLaren dagegen will das Evangelium selbst – oder besser: sein Verständnis davon – in die Kultur bringen, was nicht nur Veränderungen in der Form bedeutet, sondern auch nah am Kern.)) etwas mehr Neutralität walten lassen können. Es wird klar, dass sie sich auf die Seite von McLaren schlagen, was dem ansonsten eher darstellenden Charakter etwas entgegen steht. Das mag in der gewählten Form begründet sein: Ohne die explizite Gegenüberstellung wäre die Solidarisierung vermutlich nicht störend. Insgesamt aber ist das Kapitel ein leicht verständliches Plädoyer für eine verändertes, gewitetes Verständnis dessen, was Evangelium ist.
Kapitel 6 fehlt interessanterweise, sodass man vom fünften direkt zum siebten springt, in dem es um acht praktische „Wirkungsfelder“ der Bewegung geht: „Entwicklung in die Stadt hinein … Konsumhaltungen aufbrechen … Mündigkeit als zentraler Wert … Ganzheitlichkeit … Gemeinsames Leben … Neue Formen fördern … Miteinander statt Abgrenzungen … Ethik“ (S. 63–68). Hier kann die Leserin/der Leser ein paar anregende Ideen zum selbst weiterdenken für die eigene Arbeit in Kirche und Gemeinde finden.
Das letzte Kapitel bleibt entgegen der Ankündigung im Vorwort leider relativ blass. Es werden zwar zentrale Fragen der Bewegung aufgegriffen, aber die versprochenen Antwortversuche bleiben doch recht zaghaft – was sicher auch in den Fragen selbst begründet ist, die für den Umfang des Büchleins schlicht zu groß sind.
Alles in Allem ein informatives und werbendes Buch, mit dem die Autoren nicht nur darstellen, sondern auch zum Mitmachen anregen wollen. An der einen oder anderen Stelle könnte es etwas mehr Tiefe und Klarheit vertragen – sie schaffen den gedanklichen Sprung vom Beteiligten zum Unwissenden leider nicht ganz, sodass weniges vielleicht nicht so deutlich erklärt wird, wie es vielleicht nötig wäre.
Als Mediengestalter muss ich auch noch etwas zur Gestaltung sagen: Sehr schönes Cover ((Gestalter: www.denisholzmueller.de)), angenehmes Format aber leider leseunfreundlich gesetzt. Eine Egyptienne in gefühlter Größe von 14 Punkt mag für die Losungen im Großdruck angemessen sein, m.E. aber nicht unbedingt für ein so „jugendliches“ Thema. Die Illustrationen von Matthias Gieselmann sind an sich ganz süß, verlieren aber durch den enorm schlechten Druck und das schlechte Papier stark an Wirkung.
One thought on “Emerging Church verstehen: Eine Einladung zum Dialog”