Dieses Buch ist ein sehr guter Einstieg, um über das Thema „Evangelisation im 21. Jahrhundert“ informiert zu werden. Das Buch wurde herausgegeben vom Institut zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Der Autor John Finney ist emeritierter Bischof von Pontefract (England) und war Vorsitzender der Dekade für Evangelisation in der anglikanischen Kirche. Entsprechend bezieht sich Finney in seinen Ausführungen vornehmlich auf die anglikanische Kirche. Dennoch halte ich das Buch auch für deutsche Leser für äußerst lesenswert.
Nach kurzer Einleitung definiert Finney die Weitergabe des Evangeliums in dreifacher Gestalt: als kerygma, euangelion und mysterion. Diese drei „Methoden“ der Weitergabe des Evangeliums sind der Rote Faden durch die weiteren Kapitel.
Zunächst aber erklärt Finney anhand eines Vogels unsere aktuelle Gesellschaft: Demnach sei unsere aktuelle Kultur (im weiten Sinne) wie ein Vogel mit zwei Flügeln. Der eine Flügel ist die Moderne und der andere Flügel die Postmoderne. Wie schwer es sei, solch einen Vogel zum Fliegen zu bringen, erklärt Finney hervorragend, wenn auch wenig gestützt von empirischen Forschungen.
Dann folgen zwei Kapitel, die einen guten Überblick über die Evangelisationsformen der letzten 200 Jahre geben. Finney kommt darin zu dem Ergebnis, dass diese Evangelisationsformen (insbesondere Frontalbeschallungen á la Billy Graham) ihre beste Zeit hinter sich haben. Heute müsse man sich die Predigt des Paulus auf dem Areopag (Apg 17) zum Vorbild einer evangelistischen Rede machen. Aus homiletischer Perspektive ist dies ein interessanter Ansatz, zu dem ich mir aber mehr Ausführungen gewünscht hätte.
In den abschließenden Kapiteln wird es dann richtig konkret. Ausgehend von den drei möglichen Evangelisationgestalten und der Beschreibung der Postmoderne, mit der entsprechenden homiletischen Perspektive, müsse sich die Kirchenlandschaft auf neue „Formen der Kirche“ einstellen: Geistliche Gemeinschaften, inkarnatorische Gemeinschaften, Netzwerk-Gemeinschaften, zielgerichtete Gemeinschaften, evangelistische Gemeinschaften. Diese Gemeinschaften stehen nach Finney der Ortsgemeinde gegenüber. Finneys Analyse finde ich zwar interessant, aber obwohl er auch der Meinung ist, dass es immer Ortsgemeinden geben wird, zeigt er aus meiner Sicht nicht auf, dass nichts dagegen spricht, Ortsgemeinden und die neuen „Formen der Kirche“ zu vermischen. Es wäre aus meiner Sicht spannend, dies zu untersuchen.
Insgesamt ist es Finney wichtig zu betonen, dass unsere Kirche in der Postmoderne das mysterion des Evangeliums wieder stärker fokussieren sollte. Bei allen rationalen, modernen Versuchen, das Evangelium den Menschen schmackhaft zu machen, sei es an der Zeit, den Geist Gottes wieder stärker wirken zu lassen. Menschen von heute bekommen jeden Tag durch die Medien rhetorisch perfekt ausformulierte Argumente für alles Mögliche (Konsum, Politik, Gesellschaftsentwicklungen, etc.). Was die Menschen heute überzeugt, sei nur das Argument des echten Vorlebens seiner Überzeugung.
Wie gesagt, das Buch ist ein guter Anfang um über das Thema „Evangelisation im 21. Jahrhundert“ informiert zu werden – mehr aber auch nicht. Wirkliches Handwerk für einen angehenden Pastor/Theologen ist das Buch nicht. Aber es gibt ja glücklicherweise noch mehr Bände der BEG, die ich mir Stück für Stück anschaffen werde.
Eins kann ich mir abschließend nicht verkneifen: Das Layout des Buchcovers ist wirklich alles andere als postmodern. Schade, dass man sich seitens der Verleger darüber offensichtlich wenig Gedanken gemacht hat. Auch fallen leider die sehr vielen Rechtschreibfehler und falsche Fußnoten auf. Dies hat mich insgesamt etwas irritiert, aber ich konnte mich dennoch gut auch den Inhalt einlassen …