Der gewählte Predigttext für eine kurze Predigtreihe zum 1. und 2. Advent 2015 enthält im theologisch eher konservativ gesinnten gemeindlichen Kontext einiges Diskussionspotenzial. Wie war das nun mit der „Jungfrauengeburt“? Ist die Besonderheit Jesu eine biologische? Ich werde die Fragen zwar nicht in aller Eindeutigkeit beantworten, aber die folgenden Überlegungen dürften die eine oder andere Anregung geben, eigene Antworten zu finden – immer unter der ernsthaften Anstrengung, nach der eigentlichen Aussageintention des Textes zu fragen.
1 Übersetzung
Die folgende Darstellung der Übersetzung beruht auf der vermuteten Gliederungsmöglichkeit, die weiter unten besprochen wird.
A | B | |||
1 |
18 Τοῦ δὲ Ἰησοῦ Χριστοῦ ἡ γένεσις οὕτως ἦν. μνηστευθείσης τῆς μητρὸς αὐτοῦ Μαρίας τῷ Ἰωσήφ, πρὶν ἢ συνελθεῖν αὐτοὺς εὑρέθη ἐν γαστρὶ ἔχουσα ἐκ πνεύματος ἁγίου. 19 Ἰωσὴφ δὲ ὁ ἀνὴρ αὐτῆς, δίκαιος ὢν καὶ μὴ θέλων αὐτὴν δειγματίσαι, ἐβουλήθη λάθρᾳ ἀπολῦσαι αὐτήν. |
18 Mit dem Ursprung von Jesus Christus verhielt es sich aber folgendermaßen: Als seine Mutter Maria mit Joseph verlobt war – [noch] bevor sie ‚zusammengezogen’ waren – zeigte sich, dass sie schwanger war durch heiligen Geist. 19 Weil aber ihr Mann Joseph rechtschaffen war und sie nicht öffentlich bloßstellen wollte, entschloss er sich, sie heimlich zu entlassen. |
22 τοῦτο δὲ ὅλον γέγονεν ἵνα πληρωθῇ τὸ ῥηθὲν ὑπὸ κυρίου διὰ τοῦ προφήτου λέγοντος· 23 ἰδοὺ ἡ παρθένος ἐν γαστρὶ ἕξει καὶ τέξεται υἱόν, καὶ καλέσουσιν τὸ ὄνομα αὐτοῦ Ἐμμανουήλ, ὅ ἐστιν μεθερμηνευόμενον μεθ᾿ ἡμῶν ὁ θεός. |
22 Dies alles geschah [aber], damit in Erfüllung geht, was vom Herrn durch den Propheten gesagt wurde, [nämlich]: 23 „Siehe, die Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn zur Welt bringen, und man wird ihm den Namen ‚Immanuel’ geben.“ – das heißt übersetzt ‚Gott [ist] mit uns’. |
2 |
20 ταῦτα δὲ αὐτοῦ ἐνθυμηθέντος ἰδοὺ ἄγγελος κυρίου κατ᾿ ὄναρ ἐφάνη αὐτῷ λέγων· Ἰωσὴφ υἱὸς Δαυίδ, μὴ φοβηθῇς παραλαβεῖν Μαρίαν τὴν γυναῖκά σου· τὸ γὰρ ἐν αὐτῇ γεννηθὲν ἐκ πνεύματός ἐστιν ἁγίου. 21 τέξεται δὲ υἱόν, καὶ καλέσεις τὸ ὄνομα αὐτοῦ Ἰησοῦν· αὐτὸς γὰρ σώσει τὸν λαὸν αὐτοῦ ἀπὸ τῶν ἁμαρτιῶν αὐτῶν. |
20 Nachdem er darüber nachgedacht hatte, siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sagte: „Joseph, Nachkomme Davids, fürchte dich nicht, deine Frau Maria zu dir zu nehmen, denn das in ihr Gezeugte ist von heiligem Geist. 21 Sie wird [aber] einen Sohn zur Welt bringen, und du sollst ihm den Namen ‚Jesus’ geben, denn er wird sein Volk von ihren Sünden retten.“ | 24 ἐγερθεὶς δὲ °ὁ Ἰωσὴφ ἀπὸ τοῦ ὕπνου ἐποίησεν ὡς προσέταξεν αὐτῷ ὁ ἄγγελος κυρίου καὶ παρέλαβεν τὴν γυναῖκα αὐτοῦ, 25 καὶ οὐκ ἐγίνωσκεν αὐτὴν ἕως °οὗ ἔτεκεν υἱόν· καὶ ἐκάλεσεν τὸ ὄνομα αὐτοῦ Ἰησοῦν. |
24 Als [aber] Joseph vom Schlaf aufwachte, tat er das, was ihm der Engel der Herrn befohlen hatte und nahm zu sich seine Frau, 25 aber er schlief nicht mit ihr, bis sie einen Sohn zur Welt brachte – und er gab ihm den Namen ‚Jesus’. |
2 Kontext
Mt 1,18–25 schließt auch inhaltlich an die V. 1–17 an, beide Male wird als eine Art Überschrift die γένεσις Entstehung, Ursprung, Herkunft Jesu als Thema angegeben. Mt 1,1–17 bietet eine bedeutungsvoll konstruierte (V. 17!) Genealogie, mit der der Jude Jesus als Nachfahre Abrahams und Davids fest in die Geschichte Israels eingebettet wird. Der Vergleich mit Lk 3 und die sich daraus ergebenden Unstimmigkeiten zeigt, dass es vor allem um ein theologisches Anliegen geht, weniger um ein historisches. „Jesus ist Davidssohn, d.h. von Gott zu Israel als sein Gesalbter gesandt, und zugleich Abrahamssohn, weil Gott durch ihn auch die ganze Heidenwelt anreden will.“[1] Die V. 18–25 erscheinen als Erklärung für die (stilistische weil inhaltliche) Unterbrechung der Generationenfolge in V. 16.
Es folgt auf den Predigttext die sogenannte Kindheitsgeschichte Jesu, die die bekannten weihnachtlichen Elemente der Sterndeuter und der Flucht vor König Herodes nach Ägypten enthält. Jedoch sind die Begriffe „Geburts- und Kindheitsgeschichte“ einigermaßen problematisch, denn sie leisten „der Fehlmeinung weiter Vorschub, Mt 1-2 biete Biographisches bzw. Geschichte im modernen Sinn. … M[atthäus] will mit den ersten beiden Kapitel seines Buches keinesfalls einen biographischen Vorspann liefern, sondern sie sind Teil eines größer angelegten theologischen Proömiums.“[2]
3 Gliederung
Der Text lässt sich in vier Abschnitte gliedern. V. 18–19 (A1) schildern nüchtern und ohne Spannung aufzubauen die Situation – das Besondere an der Schwangerschaft, nämlich dass der Text sie als durch den Heiligen Geist gewirkt deutet, wird ohne Umschweife genannt. Erst mit den V. 20–21 (A2) „kommt die Geschichte in Gang“[3]. ‚Dies alles aber’ (τοῦτο δὲ ὅλον) in V. 22 setzt die V. 18–21 voraus und macht sie zum Gegenstand der Reflexion in den V. 22–23 (B1), hier kann daher ein tieferer gliedernder Einschnitt angenommen werden. Es folgt in den V. 24–25 (B2) die Erzählung über Josefs Ausführung der Engelanweisungen.
In einer gröberen Perspektive können m. E. zwei Teile ausgemacht werden, die teilweise durch einzelne Stichwortverbindungen aufeinander bezogen sind. Die V. 18–19.20–21 stehen dabei den V. 22–23.24–25 gegenüber. Die Darstellung der Übersetzung oben zeigt die Stichwortverbindungen recht deutlich. Beide Teile beginnen mit einer Art Überschrift für das Darauffolgende, die durch die (im Griechischen) verwandten Begriffe γένεσις Ursprung und γέγονεν geschehen miteinander verbunden sind. Der ‚horizontale’ Teil 1 ist bestimmt durch das in beiden Abschnitten A und B auftauchende ἐν γαστὶ ἔχειν schwanger sein (wörtlich: [ein Kind] im Bauch haben), in Teil 2 ist das zweimalige παραλαβεῖν zu sich nehmen auffällig. Für den ‚vertikalen’ Teil A erscheint ἐκ πνεύματος ἁγίου aus heiligem Geist als das bestimmende Stichwort, in Teil B (τεκεῖν υἱόν και) καλεῖν τὸ ὄνομα αὐτοῦ (einen Sohn zur Welt bringen und) ihn nennen (wörtlich: seinen Namen rufen/nennen). Wenn die Stichworte themabildend sind, behandelt der Text vier Hauptthemen: Schwangerschaft und Annahme, Heiliger Geist und Geburt/Namensgebung. Vor allem das zweite Paar erscheint aufschlussreich, sofern der Geistursprung literarisch stark mit der Namensnennung korrespondiert: V. 18b mit V. 23 sowie V. 20 mit V. 25. Zudem wird beides in der Engelbotschaft V. 20f unmittelbar einander angeschlossen.
4 Vers-für-Vers-Erklärung (Einzelexegese)
4.1 Vers 18
Der Predigttext beginnt mit einer Überschrift, die das Thema des Folgenden nennt. Es geht um die Abstammung oder Herkunft Jesu. Von einer ‚Geburtsgeschichte’ wird man in diesen Versen nicht sprechen können, die folgt erst mit einem literarischen Neueinsatz in Kapitel 2. Einige Handschriften haben das bedeutungsoffenere γένεσις Entstehung, Ursprung, Herkunft durch das eindeutigere γέννησις Geburt ersetzt, was aber als eine sprachliche Angleichung an die Generationenfolge im vorherigen Abschnitt zu werten ist.[4]
Maria ist mit Joseph verlobt und dadurch bereits rechtlich an ihn gebunden (deshalb kann dieser in V. 19 als ihr Mann bezeichnet werden), was nur durch eine offizielle Scheidung vor zwei Zeugen aufgehoben werden konnte. Sie wohnt noch im Elternhaus, die Hochzeit beinhaltet das Zusammenziehen, das im Text wohl (als noch nicht vollzogen) gemeint ist. Sofort wird eine Pointe des Textes vorweggenommen, wenn die Schwangerschaft durch heiligen Geist von Anfang an erwähnt wird, möglicherweise war die Vorstellung den Leser_innen des Evangeliums bereits bekannt (so Luz).
Was meint hier „heiliger Geist“? Nur einige Hinweise: Dem Autor des Matthäusevangeliums war noch keine Dreieinigkeitslehre bekannt, in der πνεῦμα Geist als (dritte) Person (der Gottheit) begegnet. Dieses personale Verständnis gibt es im NT nur einmalig in den Abschiedsreden im Johannesevangelium (13–17), die zeitlich nach dem Mt entstanden sind. Demnach ist eine Übersetzung ohne Artikel sachlich dem Text m. E. etwas angemessener, zumal das griechische Wort ein Neutrum bezeichnet (und das hebräische Pendant ruach ein Femininum). Das griechische Wort πνεῦμα bedeutet zunächst Wehen, Hauch, Wind, Atem und bezeichnet „die elementare Natur- und Lebenskraft“[5]. Vom Alten Testament her ist Geist in V. 18.20 als Gottes Schöpferkraft zu verstehen.[6] Das Motiv einer göttlichen Beteiligung an der Zeugung oder gar der Zeugung durch einen Gott ist vielfältig belegt: „Bekannte Beispiele sind Herakles als Sohn von Zeus und Alkmene, Romulus und Remus als Söhne von Mars und Rhea, Piaton als Sohn von Apoll und Amphiktione oder Augustus als Sohn von Apoll und Atia. In Ägypten gehörte die göttliche Zeugung des Pharao zur Königsideologie.“[7]
Mit der Deutung der Schwangerschaft aus heiligem Geist wird der Ursprung Jesu in eine enge Nähe zu Gott gerückt, interessanterweise taucht aber der sachlich eigentlich naheliegende Begriff Gottessohn im Text nicht auf. [8] Über die biologischen Umstände der Zeugung lässt sich nur spekulieren, für den Text ist die theologische Pointe sehr viel entscheidender: Schon in der Geburt des Menschen Jesus ist Gott am Werk, schreibt Gott eine Geschichte mit den Menschen durch diesen besonderen Menschen – das ist weniger Dogma als vielmehr Erzählstück in einer größeren Geschichte.
4.2 Vers 19
Der nun in den Blick rückende Joseph ist – anders als im Lk – die Hauptfigur der Erzählung. Er fasst den Beschluss, Maria wegzuschicken, was freilich vor dem Hintergrund einer männerzentrierten Gesellschaftsordnung einzuordnen ist. Er weiß – wieder anders als im Lk – bisher nichts von der göttlichen Bedeutung der Schwangerschaft, muss also Ehebruch annehmen; die nach Dtn 22,23f bestehende Strafe der Steinigung wurde zu der Zeit nicht mehr praktiziert. Dass die Scheidung λάθρᾳ heimlich möglich gewesen wäre, ist nicht denkbar, da zwei Zeugen nötig waren, und spätestens die Geburt hätte eine gewisse Öffentlichkeit erregt. Es deutet vielleicht an, dass Joseph der Situation zur Schonung Marias mit möglichst wenig öffentlicher Aufmerksamkeit entkommen bzw. sie lösen wollte. Das deutet auch der Begriff δίκαιος gerecht, treu an, der „gerade nicht meint, auf das einem zustehende Recht zu pochen, sondern zu Gunsten eines mitmenschlichen Verhaltens darauf zu verzichten.“[9] Joseph geht es nicht um den Buchstaben der Tora, sondern um ihren Sinn im Lichte des Liebesgebots (Lev 19,18).
4.3 Verse 20–21
Nachdem Joseph diese immerhin schon ehrbaren Gedanken bewegt hat, wird ihm durch den Engel eine weitere (im doppeldeutigen Sinn) Perspektive offenbar. Die Erscheinung selbst steht gegenüber der Botschaft im Hintergrund (Engel meint vom Griechischen ἄγγελος her einen Boten, Botschafter). Traum und Engel betonen m. E. den unverfügbaren Charakter dessen, was Joseph offenbar wird. Es geht um etwas, das nicht natürlicherweise menschlichem Denken und Handeln entspricht, sondern gewohnte Muster übersteigt. Seine neue Handlungsoption[10] besteht darin, nicht nur die Situation möglichst ohne viel Aufhebens zu lösen, sondern sich ihr nach dem Willen Gottes zu stellen: die Schwangere zur Frau zu nehmen und das (in jedem Fall uneheliche!) Kind rechtmäßig durch die Namensgebung zu adoptieren.
Mit der Anrede Nachkomme Davids wird die Genealogie aufgegriffen und erneut betont, dass Jesus in die messianische Linie Davids hineingeboren bzw. -adoptiert wird. Die Engelbotschaft verweist im zweiten Teilvers erneut – für Joseph erstmals – auf den Geistursprung des Kindes und damit auf das göttliche Wirken in dieser (Familien-) Geschichte. Stand in V. 18 literarisch der Geist vor allem im Kontext mit der (Schwangerschaft der) Mutter, fungiert er hier als Begründung für das Handeln Josephs. Beide sind an dieser ‚geistlichen’ Geschichte beteiligt, nicht nur die Schwangere – was wiederum dafür spricht, dass die biologische Frage wenn überhaupt nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt.
In der Erläuterung des Namens klingt Psalm 130,8 deutlich an. In dem Psalm wird allein Gott als Grund und Ursprung der Vergebung besungen. Der Name Jesus war damals gängig und bedeutet etwa Der Herr ist Hilfe, Rettung, Heil (von hebräisch Jeschua als Kurzform von Jehoschua). ‚Sein Volk’ meint Israel als Gottesvolk, nicht die christliche Gemeinde, worin erneut die messianische Bedeutung Jesu zum Ausdruck kommt.
4.4 Verse 22–23
V. 22 hat einen überleitenden Charakter zum folgenden Schriftzitat. Bei der Erfüllung geht es meines Erachtens nicht um die Beglaubigung der alttestamentlichen Stelle, sondern vielmehr um das, was neutestamentlich erzählt wird. Das Geschehen belegt nicht, dass der Prophet recht hatte, sondern zeigt, dass das Erzählte in Übereinstimmung mit der Heiligen Schrift (das ist übrigens für den Autor des Mt nur das ‚Alte Testament’) steht. In einer gröberen Perspektive kann man sagen: Der Text stellt mit dem Zitat „das Geschehen mit einer eigenen Betonung in die von der Bibel bereits erkennbar gemachte Linie des Handelns Gottes“[11] – nicht (nur) die Einmaligkeit des einzelnen Ereignisses wird betont, sondern die Zugehörigkeit zu einer größeren Geschichte von Erfahrungen mit der wirkungsvollen Kraft Gottes – einer Macht, die durch die Geschichte hindurch wirkt, treu war, ist und bleibt. Wovon hier geredet ist, ist in seiner historischen Einmaligkeit etwas Immerwiederkehrendes: das Immerwiederkehren Gottes!
Das es nicht um einen schlichten Tatsachenbeweis geht, zeigt schon der Name im Zitat: Immanuel – ‚mit uns [ist] Gott’. Das ist aber gar nicht der Name des Kindes! Vielmehr ist es dessen Bedeutung, eine Charakterisierung. In diesem Kind, in der Geschichte dieses Menschen ist Gott bei den Menschen! Es klingt zu Beginn schon an, was am Ende des Evangeliums stehen bleibt: „Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende!“ (Mt 28,20)
Das alttestamentliche Zitat stammt aus der griechischen Fassung von Jesaja 7,14. Einzige Änderung ist von„du wirst ihn nennen“ in „sie werden ihn nennen“, vermutlich um das Bekenntnis der matthäischen Gemeinde zu Jesus Christus anzudeuten. Noch interessanter ist aber eine Änderung, die der griechische Text im Vergleich zum hebräischen vornimmt: in der Septuaginta (LXX) steht παρθένος ‚parthenos’ Jungfrau, während im hebräischen von עַלְמָה ‚almah’ junge Frau die Rede ist, was sonst im Griechischen (außer in Gen 24,43) mit νεᾶνις ‚neanis’ übersetzt wird. Hier wurde also im Griechischen der Sinn recht deutlich verändert. Die Auslegung von Jes 7,14 selbst ist nicht ganz einfach, jedoch geht es dort wohl um eine ganz normale Zeugung.
4.5 Verse 24–25
Indem Joseph nach dem Erwachen so handelt, wie es ihm von der Botschaft Gottes her geboten erschien, erweist er sich als der treue Gerechte, als der er in V. 19 vorgestellt wurde. Die wichtigen Punkte werden fast wörtlich wiederholt: Er nahm Maria zu sich und gab dem Kind den programmatischen Namen Jesus.
Der Hinweis auf die Enthaltsamkeit in V. 25 ist vermutlich die Betonung der Erfüllung von Jes 7,14 – die Jungfrau wird nicht nur schwanger, sondern bringt auch als solche ein Kind zur Welt. Eine weitere Diskussion über diesen Zusatz kann man sich an dieser Stelle ersparen …
5 Weitere interessante Zitate aus der Literatur
- „Er [Matthäus] geht dabei konsequent ‚theo-logisch’ vor: Es ist jeweils Gott, der unmittelbar oder durch Vermittlung die Geschehnisse bewirkt, durch die er Jesus beglaubigt.“[12]
- „Was Mt (wie Lk) vom Osterglauben aus von Jesus Christus im Blick auf seine Lebensentstehung und Geburt in mythischer Einkleidung bekennen wollte, nämlich dass Gott mit diesem Jesus Christus eine neue, die endzeitliche Heilsinitiative begonnen hat, wird durch ein biologisches Missverständnis verfälscht.“[13]
- Die Jungfrauengeburt ist „daher keineswegs aus dem Kreise christl. Vorstellungen zu verweisen, jedoch so viel als möglich geistig aufzufassen ist.“[14]
6 Literatur
Fiedler, Peter, Das Matthäusevangelium, Theologischer Kommentar zum Neuen Testament (ThKNT) 1, Stuttgart 2006.
Gnilka, Joachim, Das Matthäusevangelium: Teil 1. Kommentar zu Kap. 1,1–13,58, Herders Theologischer Kommentar zum Neuen Testament (HThK), Freiburg/Basel/Wien 1986.
Luz, Ulrich, Das Evangelium nach Matthäus, Evangelisch-Katholischer Kommentar zum Neuen Testament, EKK I/1, 41997 (11985).
Metzger, Bruce M., A Textual Commentary on the Greek New Testament: a Companion Volume to the United Bible Societies‘ Greek New Testament, London/New York 31975 (11971).
Stowasser, Martin, Heiliger Abend (ABC): Mt 1,1-25, http://www.perikopen.de.
Weinrich, Michael, Immanuel – wir mit Gott, und er mit uns, in: GPM 69/2014, 43–49.
Wette, Wilhelm Martin Leberecht de, besorgt von Hermann Messner, Kurze Erklärung des Evangeliums Matthäi, Kurzgefasstes exegetisches Handbuch zum Neuen Testament 1/1, Leipzig 41836 (11836).
Anmerkungen
[1] Luz, Matthäus I (EKK), 97.
[2] Stowasser, Heiliger Abend, 1.
[3] Luz, aaO, 99.
[4] Vgl. Metzger, Textual Commentary, 8. Anders entscheidet sich Gnilka, Matthäusevangelium, 17.
[5] Kleinknecht, Art. πνεῦμα, in: ThWNT 6, 333.
[6] So mit Schweizer, Art. πνεῦμα, in: ThWNT 6, 399.
[7] Fiedler, Matthäusevangelium, 47.
[8] Vgl. Fiedler, aaO, 53.
[9] Fiedler, aaO, 48.
[10] Ich gehe davon aus, dass Joseph durchaus als freier Mensch mit der Option zur Entscheidung vorzustellen ist, nicht wie ein unkritischer Befehlsempfänger und -ausführer.
[11] Weinrich, GPM 69/2014, 47.
[12] Fiedler, aaO, 37.
[13] Fiedler, aaO, 54.
[14] De Wette, Erklärung, 28.
Velen Dank für deine/eure Arbeit!
Vielleicht eine kleine Anregung, weitere m. E. nicht unbedeutende Aspekte in die Erörterungen aufzunehmen:
a) Zitat: „M[atthäus] will mit den ersten beiden Kapitel seines Buches keinesfalls einen biographischen Vorspann liefern,“ – Muss man nicht im Gegenteil davon ausgehen, dass Mt exakt (auch) einen BIOGRAFISCHEN Vorspann im Sinn hatte und seine Leser/Zuhörer ihn genau so verstanden haben werden? Oder ist es tatsächlich haltbar, Mt eine EIGENTLICH moderne, aufgeklärte Sicht der Dinge zu unterstellen? Sollte man nicht die Texte vorrangig mit zeitgenössichen Augen lesen und interpretieren und erst danach die hermeneutischen Konsequenzen für uns heute in den Blick nehmen? Das historische Zeugnis von „den großen Taten unseres Gottes“ durchzieht doch die Heiligen Schriften sowohl des frühen Judentums als auch der frühen Christenheit wie ein roter Faden und stellt eine kraftvolle, unverzichtbare Basis ihres Glaubens dar. Das Unterscheiden von Theologie und Historie/Biolographie ist eine sehr moderne Arbeitsweise, die erst als Errungenschaft der Aufklärung überhaupt „denk-bar“ wurde.
b) Allgemeine Anmerkung zum Thema Jungrauengeburt:
M. W. ist die weibliche menschliche Eizelle erst 1827 von K. E. v. Baer entdeckt / nachgewiesen worden. D. h., bis in die Neuzeit hat man mit der Vorstellung gelebt, die Frau sei nur das Gefäß für den männlichen Samen (so zB 1Pt 3,7 gri) wie der Ackerboden den Getreidesamen aufnimmt und wachsen lässt. Spuren davon finden wir noch im alltäglichen Sprachgebrauch, wenn man von der „Empfängnis“ spricht. Was bringt diese Anmerkung? Zumindest zeigt sie aufgeschlossenen Lesern der Mt-Perikope, dass wir die biblischen „Berichte“ nicht eins zu eins in die Gegenwart extrapolieren dürfen. Wenn klar ist, dass ein nicht geringer Teil der Geschichte auf eindeutig überholten Vorstellungen beruht (die auch ein Wortverfechter sicher als solche beurteilen wird, wenn er darüber Kenntnis erlangt), dann wird doch vielleicht bei dem einen oder anderen Leser die tradierte Vorstellung etwas weicher, so dass er/sie mit weniger Skrupeln am Nachdenken über die Jungfrauengeburt teilnehmen kann.
lg, Fritz