Wie ich die Bibel verstehe…

Ausgehend von der Präambel des Bundes Freier evangelischer Gemeinden werden im Folgenden einige für mich zentrale Aspekte zum Verständnis der Bibel genannt. Dieser Beitrag soll zur Diskussion darüber anregen, wie man die Bibel verstehen kann. Also gerne kommentieren.

In der Präambel heißt es:

„Verbindliche Grundlage für Glauben, Lehre und Leben in Gemeinde und Bund ist die Bibel, das Wort Gottes.“

Zunächst soll erläutert werden, inwiefern die Bibel das Wort Gottes ist und wie damit ihre Autorität zusammen hängt. Davon ausgehend wird geklärt, was es bedeutet, dass die Bibel Grundlage für Glauben, Lehre und Leben ist.

Die Bibel, das Wort Gottes.
Die Bibel als Heilige Schrift, Alten und Neuen Testaments, bezeugt Gottes Heilshandeln an seiner gesamten Schöpfung durch seine Offenbarung. Das Alte Testament bezeugt Gottes Offenbarung als Schöpfer, Herr der Geschichte und Gott seines Volkes. Das Neue Testament bezeugt Gottes einzigartige und unüberbietbare Selbstoffenbarung in Jesus Christus durch den Heiligen Geist.

Weil die Bibel im Alten und Neuen Testament Gottes Offenbarung bezeugt, ist sie das Wort Gottes. Darin hat sie ihre bleibende Autorität.

Die Bibel ist ganz Gotteswort.
Die biblischen Texte bezeugen Gottes Zuwendung zu seiner Schöpfung und den Menschen. Gott schließt von sich aus einen Bund mit dem Volk Israel, befreit es aus der Sklaverei und führt es in das versprochen Land. Gleichzeitig gibt er seinem Volk Gesetze, die es dem Volk ermöglichen, innerhalb dieses Bundes mit ihrem Gott und untereinander zu leben. Daneben offenbart Gott sein Wort auf vielerlei Weise (Hebr. 1,1f) durch Propheten in mahnenden, tröstenden und ermutigenden Worten.

Einzigartig offenbart Gott sein Wort in seinem Sohn Jesus Christus. Durch Jesu Leben, Verkündigung und letztgültig seinen Tod am Kreuz und seine Auferweckung macht Gott ein für alle mal deutlich, dass er sich den Menschen zuwendet und er sie in heilvoller Gemeinschaft mit sich und untereinander versetzt. Diese Gemeinschaftseröffnung Gottes zielt auf die verbindliche Antwort des Menschen.

Weil die Bibel also Gottes Offenbarungen, insbesondere seine einzigartige Offenbarung in Jesus Christus bezeugt, ist sie ganz Gotteswort. Das schließt die gesamte Bibel, Alten und Neuen Testaments ein. (Gleichzeitig bleibt es die Aufgabe der Theologie, zu reflektieren, worin der Umfang der Bibel genau besteht, bzw. welche Bücher zum Kanon dazu gehören und welche nicht. Evangelische, katholische und jüdische Tradition bzw. Theologen [in Bezug auf das AT] kommen hier zu unterschiedlichen Ergebnissen.)

Die Bibel ist ganz Menschenwort.
Gottes Wort in der Bibel gibt es nur in menschlichen Worten. Zwar unterscheiden die biblischen Schriften zum Teil zwischen Gottes unmittelbarer Rede an Menschen und Worten, die von Menschen ausgehen, jedoch haben wir auch die Rede Gottes an die Menschen nur in menschlicher Sprache bzw. Schrift. Das ist keine negative Qualifizierung, sondern zeugt davon, dass sich Gott in seinem Wort in menschlicher Sprache offenbart und damit verständlich, vernehmbar und interpretierbar wird. Weil Gottes Wort in menschlicher Sprache überliefert ist – und sich damit der semantischen, philologischen und historischen Interpretierbarkeit aussetzt –, ist es die bleibende Aufgabe der Glaubenden, der Theologie und der Gemeinde, danach zu Fragen, wie wir Gottes Wort verstehen und anwenden können.

Die Bibel als Grundlage für den Glauben.
Weil die Bibel Gottes Offenbarung in Jesus Christus bezeugt und sich christlicher Glaube immer und nur an Jesus Christus richtet, ist sie Grundlage für diesen Glauben. In ihr finden wir inhaltlich alles, um christlichen Glauben bestimmen zu können. Außerbiblische, spezielle Offenbarungen kann es geben, sind zu prüfen, können aber inhaltlich für den Glauben nicht über Gottes Offenbarung in Jesus Christus hinaus oder an ihr vorbei gehen.

Die Bibel als Grundlage für die Lehre.
Aus dem bisher gesagten wird leicht ersichtlich, dass Grundlage jeder Lehre in Theologie und Gemeinde und jeder Verkündigung die Bibel ist. Weil sie Gottes Wort bezeugt, muss die Bibel gelesen, verkündigt, interpretiert und angewendet werden. Dies geschieht gemeinsam im Kontext der Gemeinde wie auch im persönlichen Bereich. Zwar ist es die Aufgabe der Gemeinde „Auslegungsgemeinschaft“ zu sein und somit gemeinsam nach Antworten zu suchen und Orientierung zu bieten, doch letztendlich bleiben die „Fragen biblischer Auslegung und praktischer Anwendung … dem an Gottes Wort gebundenen Gewissen des Einzelnen überlassen.“ (Zitat aus der Präambel des BFeG)

Die Bibel als Grundlage für das Leben.
Christlicher Glaube ist ein ganzheitlicher Glaube und bezieht sich somit auf das Leben jeder Gemeinschaft und jedes Einzelnen. Weil die Inhalte des christlichen Glaubens in der Bibel bezeugt werden, ist sie Grundlage für ethische Urteilsbildung und Fragen der Lebensführung. Dabei ist Gottes Selbstoffenbarung in Jesus Christus als Gott der Liebe (das meint nicht einfach „der liebe Gott) Ausgangs- und Orientierungspunkt. Von da her werden Antworten für aktuelle und bleibende Fragen und Herausforderungen des Lebens gesucht. Dies geschieht in der Glaubensgemeinschaft, jedoch gilt auch hier, dass letztlich jeder/jede mit seinem/ihrem Gewissen vor Gott verantwortlich ist und bleibt. Zwar steht mit Gottes Selbstoffenbarung in Jesus Christus die Grundlage ein für alle mal fest, jedoch ändern sich die Fragen und insofern müssen auch immer wieder neu und dauernd Antworten gesucht werden.

19 thoughts on “Wie ich die Bibel verstehe…

    1. Hallo Johannes,

      ist die Formulierung „die Bibel bezeugt Gottes Wort“ für dich neu? Wie verstehst du Joh 1, wo das „Wort Gottes“ ja definitiv nicht die Bibel ist (über deren Umfang sich die Christ*innen ja nicht mal einig sind …), sondern die Person Jesus Christus?

      Die Spannungen, Widersprüche und sachlichen Fehler der Bibel werden aus meiner Sicht erst dann zu einem Problem, wenn man Bibel als „diktiertes“ Wort Gottes versteht und sie so mit göttlichen Eigenschaften ausstattet. Dann hätten wir es aber – theologisch gesprochen – mit einer Viereinigkeit aus Vater, Sohn, Geist und Bibel zu tun. Wollen wir das? Wenn sie aber „nur“ das Dokument menschlicher Erfahrungen mit Gott ist, gibt’s kein schwerwiegendes Problem. Und anders als „menschlich“ können wir die Bibel ja nicht verstehen – also auch ihre Spannungen nicht. Wobei ich mir nicht ganz sicher bin, wie du das „menschlich verstanden“ meinst …

      Ich würde sagen: Die Bibel ist nicht einfach per se Gottes Wort, sondern sie wird es wo und wenn sie mich im Sinne Jesu Christi (also heilsam, liebevoll, wertschätzend, …) anspricht. Kurz: Sie ist nicht einfach Gottes Wort, kann aber zum Wort Gottes an mich werden.

      Was meinst du dazu?

      Gruß,
      Sebastian
      (Tom lässt mit diesem Kommentar ebenfalls grüßen … 😉 )

  1. Hi Toom und Sebastian!
    Erstmal, herzlichen Dank für eure Antwort 🙂
    Toll, dass wir in unserem Bund auch über Blogs kommunizieren können 😉

    Ok, danke, dann ist mir klar was ihr meint – beim ersten lesen war das für mich nicht ganz offensichtlich.

    Deine Ansicht (Sebastian) erinnert mich etwas an Barth 😉

    Ha, der Begriff Viereinigkeit hat was etwas polemisches – hab ich zum ersten mal bei Zimmer gehört – aber ich denke, selbst die Chicagoer Erklärung würde das nicht in diesem Extrem wollen.

    Wie ich denke?
    Gute Frage. Ich bin hermeneutisch eher von Maier, Schirrmacher und Stadelmann geprägt. Für mich war der Ansatz von J.Packer überzeugend, der die „Mitschreibende Tätigkeit“ des Heiligen Geistes bei der Abfassung hervorhob, so dass die menschlichen Autoren, mit ihrem Stil durchkamen, das Endprodukt aber so war wie Gott es wollte und durchgehend war ist.

    Spannend, dass wir in unserem Bund da eine breite Bandbreite haben – das gibt bestimmt spannende (hoffentlich für alles Seiten lehrreiche) Gespräche.

    Was wird den dazu in Ewersbach gelehrt?

    LG Johannes

    1. Hi Johannes,

      beim „Wort Gottes“ kommt man an Barth und der Dialektischen Theologie natürlich nicht vorbei – meine Hermeneutik hat aber eigentlich (bis auf sicher nicht zu verleugnende Einflüsse) nicht unmittelbar mit Barth zu tun, auch wenn ich das dialektische Erbe sehr wichtig finde. Doch während Barth (ganz verkürzt gesagt) eher den Weg „senkrecht von oben“ wählt, meine ich mit „Dokument menschlicher Erfahrungen“ das gerade nicht, sondern – wenn man so will – ein eher horizontales Verständnis. Menschen schrieben auf, was sie erlebt haben und wie sie es in ein religiöses Ganzes eingeordnet haben. Sie erleben das Göttliche und versuchen, ihre Welt im Zusammenhang damit zu verstehen. Aber Gott „sagt“ ihnen nicht, was sie schreiben sollen. Mit einem solchen Verständnis kann man mit Spannungen sehr gut leben, weil Menschen Erlebnisse in einem (im Nachhinein kanonisierten Rahmen) unterschiedlich deuten. Das ist ein Schatz – aber kein Problem.

      Viereinigkeit mag unterbewusst von Zimmer kommen, beim Schreiben dachte ich aber nicht an ihn 😉 Die Polemik die darin steckt, wird man sich aber gefallen lassen müssen, weil sie ein Kernproblem manchen Schriftverständnisses recht präzise auf den Punkt bringt. Und ich schätze die Chicagoer Erklärung eher so ein, dass sie genau das theologisch tut, was mit „Viereinigkeit“ angedeutet ist: sie vergöttlicht die Bibel und stellt sie mit Gott selbst gleich. Wenn ich die Bibel nicht mehr von Gott (präziser: Gott in Christus) her kritisieren kann oder gar darf, dann ist sie Gott gleichgestellt. Ob man das Viereinigkeit oder Verdopplung Gottes oder wie auch immer nennt, ist dabei relativ egal.

      Ich frage mich, wie sehr es noch der „Stil der Autoren“ sein kann, wenn das Ergebnis völlig fremdbestimmt ist. Kann man das wirklich zusammendenken?

      Und ich will und muss Tom beipflichten: Ich Ewersbach werden nicht einfach vermeintliche „Wahrheiten“ gelehrt, sondern das selbständige, kritische und theologisch kompetente Denken und Urteilen gefördert und gefordert. Wir haben nach fünf Jahren Studium Absolvent*innen (fast) aller Couleur, weil jede*r den Weg finden muss, der ihm*ihr passt – weil er für eine*n Studierende*n argumentativ nachvollziehbar ist (im Idealfall).

      Ich empfinde die Vielfalt in unserem Bund (neben aller Anstrengung, die sie mit sich führt) als einen ebenso großen Schatz wie die Vielfalt der biblischen Theologien. Mit dieser Vielfalt sind wir aus meiner Sicht viel mehr „Gemeinde nach dem Neuen Testament“, als wenn wir alle dieselbe Linie fahren – was ohnehin utopisch ist 😉

      Freue mich auf deine Antwort!

  2. Hallo Johannes,

    es gibt nicht „die“ Lehre, die man in Ewersbach vermittelt bekommt, sondern man setzt sich mit verschiedenen Positionen auseinander und wird dazu herausgefordert und gleichzeitig gefördert, sein eigenes Urteil zu bilden.

    Ich selbst würde sagen, dass ich beides ernst nehmen muss: ganz Gotteswort und ganz Menschenwort. Das schließt für mich auf der einen Seite ein, dass die Bibel in einzigartiger Weise Gottes Offenbarung in Jesus Christus bezeugt. Auf der anderen Seite liegt uns das nur in menschlicher Schrift bzw. Sprache vor. Ich muss daher nicht davon ausgehen, dass die Bibel unfehlbar ist. Ich darf aber davon ausgehen, dass das Evangelium unfehlbar ist. Und es ist und bleibt die Aufgabe der Christ*innen, Gemeinden und Theolog*innen zu fragen, was wir unter dem Evangelium verstehen.

    Außerdem muss meines Erachtens bedacht werden, dass der Akt des Lesens zum Verstehen der Bibel dazu gehört. In diesem Zusammenhang könnte man mal über das Verhältnis von Rezeptionsästhetik und dem Wirken des Heiligen Geistes nachdenken 😉

    Soweit von mir. Die Vielfalt in unserem Bund ist in der Tat spannend 🙂

    Liebe Grüße Tom

  3. Hi Zusammen,
    jetzt endlich meine Antwort… 🙂
    Ich versuche sie mal etwas zu gliedern.

    Zur Vergöttlichung der Bibel.
    Achtung ich „oute“ mich.
    Ich finde die chicagoer Erklärung ganz gut :).
    Die Vergöttlichung der Schrift kann ich dort nicht sehen. Der Bibel werden hier nicht per se göttliche Eigenschaften zugeschrieben. Die Argumentation ist viel mehr: Die Bibel ist von Gott verbal-inspiriert (mir ist bewusst, dass er hier nochmals verschiedenen Unterkategorien gibt). Daher ist die Bibel „Reden von Gott“. Da Gott nicht lügt, sich nicht irrt und nur die Wahrheit spricht, sind es seine Aussagen auch. Die Bibel sind Gottes Aussagen, deshalb ist sie unfehlbar und irrtumslos. Sie besteht aber nicht von Ewigkeit an.
    Daher meine Schwierigkeit mit dieser Anfrage.

    Zur Frage nach Stil und Fremdbestimmtheit.
    Ich finde den Vergleich der Inkarnation mit der Bibel ganz hilfreich.
    Jesus ist war ganz Gott und ganz Mensch. Wo hier die Linie durchgeht bleibt ein Mysterium, wir werden es nicht auflösen können. So sehe ich die Verwebung in der Bibel von Gottes Wort und Menschenwort.
    Dennoch halte ich daran fest, dass Gott die Eigenschaften des Autores sehr bewusst gewollt hat und diese auch sichtbar werden. Ich denke, im Endprodukt ist beides verwoben, aber nicht trennbar (schwierig wird es hierbei wo wir Gotteswort vom Menschenwort trennen sollen).

    Für mich stellt sich bei der Frage der Inspiration die Hauptfrage darin, was der Textbefund hierzu deutlich macht…
    Für das AT halte ich das zugegeben leichter als fürs NT, da sich z.B. die Aussagen Jesu oder Paulus (2Tim 3,15-17) darauf beziehen.

    Wie denkt ihr darüber?

    Die Vielfalt ist tatsächlich spannend – bei diesem Thema hat es aber bestimmt die größten Auswirkungen –

    P.S. ich finde es spanend über solche Themen zu diskutieren – wenn es irgendwann störend wird, einfach sagen;-)

    1. Hi Johannes.

      du schreibst: „Da Gott nicht lügt, sich nicht irrt und nur die Wahrheit spricht, sind es seine Aussagen auch. Die Bibel sind Gottes Aussagen, deshalb ist sie unfehlbar und irrtumslos.“ — Ist das nicht doch eine ziemlich unvermittelte Übertragung göttlicher Eigenschaften auf die Bibel? Das käme aus meiner Sicht einer Vergöttlichung gleich. Und um bei diesem Thema zu bleiben: das funktioniert nur, wenn man diese Eigenschaften zuvor als „göttlich“ nachgewiesen hat. Anders gesagt: Das Argument setzt schon voraus, was es stützen soll und ist so schon rein logisch schwierig.

      Welches offensichtliche Problem „Chicago“ außerdem aus meiner Sicht nicht lösen kann bzw. (soweit ich das aus meiner rudimentären Kenntnis dieser Erklärung beurteilen kann) woran sie sogar scheitert ist die Tatsache, dass es DIE eine Bibel gar nicht gibt. Allein über den Umfang des Kanon ist die Christenheit sich letztlich nicht in allem einig. Ganz zu schweigen von den textkritischen Fragen, die zu stellen sind. Welche Texte sollen denn zugrundegelegt werden?

      Ich kann mit dieser Chicagoer-Erklärung nichts anfangen. Sie versucht aus meiner Sicht, Gott in ein Korsett aus Buchstaben zu stecken, anstatt ernst zu nehmen, dass die entscheidende „Offenbarung“ nicht in einem Buch, sondern einer Person geschehen ist, die wir von Ostern her als lebendig erfahren. Christlicher Glaube ist aus meiner Sicht BEGEGNUNG mit dem auferweckten Gekreuzigten im Licht der biblischen Überlieferung, nicht bloß BIOGRAFIE.

      Soweit mal ein paar stichwortartige Reaktionen.

  4. Hi Sebastian,
    dass du die Chicagoer Erklärung nicht magst habe ich jetzt verstanden 😉
    Und nein, ich glaube nicht das dies eine Vergöttlichung ist, vielmehr verstehe ich das so, dass die Bibel Gottes Produkt ist und nicht in der gänze die gleichen Eigenschaften wie er hat.

    Zu den Fragen der Textkritik nimmt Chicago Stellung – nur der ursprüngliche Text wird behandelt.
    Zur Kanon-Frage; grundlegend ist man sich dort ja einig… im AT ist zwar nach Trient noch etwas aufgenommen worden und in der Orthodoxen Kirche oder der äthiopischen gibt es zwar noch Variationen, aber gut… Das NT ist ja ziemlich unumstritten.

    Woran ich alles festmache(n möchte) ist die Frage nach dem Selbstzeugnis der Schrift… Wie beurteilst du die Aussagen im NT über das AT?

    Soweit meine Gedanken

    1. Guten Morgen!

      Ich sehe, bei den Eigenschaften kommen wir nicht weiter und vermutlich auch nicht zusammen … aber das müssen wir ja auch nicht zwingend. 🙂

      Zur Textkritik: Was ist denn „der ursprüngliche Text“? Die wissenschaftliche Rekonstruktion des Novum Testamentum Graece, erstellt auf Grundlage historisch-kritischer Methodik? Ist es ein bestimmter Codex (Sinaiticus, Alexandrinus, Vaticanus)? Es gibt nicht „den“ Urtext oder besser gesagt: Wir kennen ihn nicht. Bei aller Übereinstimmung bleiben Fragen offen und strittig – was doch nicht sein dürfte, wenn es tatsächlich so wäre, dass diesem materiellen Gegenstand wirklich die Eigenschaft „irrtumslos“ (oder wie auch immer) zukommen würde.

      Zum Kanon: Warum sind die Unterschiede im Kanon dir plötzlich nicht so wichtig („aber gut …“)? Es geht doch um die Frage nach der Zuverlässigkeit und Autorität der Textgrundlage – wenn ich die schon nicht eindeutig beantworten kann, wie will ich dann so weitreichende theologische Schlüsse ziehen und behaupten, dieser (oder jener) Text sei „unfehlbar“? Um ein anderes Fass auch noch zu öffnen: Was machen wir mit den Übersetzungen? Wer soll bitte entscheiden, welche den Grundtext am ehesten trifft? Kommen Menschen unterschiedlicher Prägung da nicht immer zu unterschiedlichen Auffassungen/Übersetzungen? (Meine Antwort: Ja, natürlich!) Und das führt zu einem weiteren Problem: Menschen, die weder Griechisch noch Hebräisch beherrschen, sind im Bezug auf die (nach Chicago) alles entscheidende Glaubensgrundlage („die“ Bibel) darauf angewiesen, dass wiederum andere Menschen vernünftig übersetzt, sauber exegesiert oder bloß die „richtige“ Übersetzung gewählt haben. Das schafft unterbewusste zwischenmenschliche Abhängigkeiten – mal provokativ und etwas zugespitzt gesagt.

      Zu den Selbstaussagen der Bibel: Die kann man unter historischen Gesichtspunkten nicht pars pro toto nehmen. Wenn das NT von „Schrift“ spricht, die von Gott eingehaucht (etwa 2Tim 3,16) ist, dann meinen die Autoren doch nicht ihre eigenen Werke und erst recht doch nicht die Schriften, die sie noch gar nicht kennen (können!, weil später geschrieben), sondern die für sie Heiligen Schriften – d. h. das erste Testament, die hebräische Bibel.

      Soweit mal von mir. Freue mich auf deine Einwände 🙂

      Liebe Grüße
      Sebastian

  5. Servus Sebastian,
    yes, dass sieht fast so aus 😉

    Zur Textkritik; damit meine ich die erste Niederschrift der Autoren – Abschriften haben ja bekanntlich genügend Variationen, wobei dies bekanntlich keinen Einfluss auf die Lehre hat.
    Selbstverständlich können wir nur Versuche machen den ursprünglichen Text zur rekonstruieren – aber wie gesagt, die Variationen dürften kaum Einfluss auf die Lehre haben (lassen wir mal Stellen wie Mk 16 weg).

    Sorry, da hab ich mich wohl missverständlich ausgedrückt.
    Ich denke schon, dass wir den Kanon gut abgrenzen können – die Kanonfrage ist m.E. bzgl. des AT relevant und da sehe ich die Abgrenzung nicht als so schwer an.

    Was die Übersetzungen mit der Unfehlbarkeit zu tun haben soll, kann ich irgenwie nicht ganz nachvollziehen. Denn auch bei Chicago wird davon ausgegangen, dass nur das Original inspiriert ist. Bei der Auslegung der Bibel von Geschwistern die nicht wie wir mit den Sprachen arbeiten können gehe ich fest davon aus, dass der Heilige Geist eine gründliche und ehrliche Arbeit mit der Bibel auch gebrauchen wird – aber ich sehe ich kein Bezug zur Inspirationsfrage.

    Genau das ist für mich die Kernfrage.
    Es stimmt, 2Tim 2,16 spricht vom AT – aber diese und andere Stellen von Jesus, zeigen aus meiner Sicht schon, dass zumindest das AT von Gott „eingehaucht“ wurde – ebenfalls die Selbstaussagen im AT – auch sie gehen davon aus, dass die Schrift Wahrheit ist…
    Das ich bzgl. dem NT die Frage als schwieriger zu beantworten sehe habe ich oben bereits geschrieben – hilfreich finde ich hierzu aber die Ausführungen von Maier (Biblische Hermeneutik).

    In diesem Sinne, eine gute Nacht 🙂

    1. Lieber Johannes,

      ich bin irritiert über deine Ausführungen, weil sie mir sehr widersprüchlich erscheinen. Einerseits behauptest du mit Chicago eine vollständige Irrtumslosigkeit der Schrift – und kannst dann einfach mal Mk 16 bzw. die Frage nach dem Markusschluss weglassen? Wie geht das? Allein dieses Beispiel widerspricht doch offensichtlich deiner These, „Variationen dürften kaum Einfluss auf die Lehre haben“. Der Markusschluss macht doch völlig klar, dass diese These nicht zu halten ist – das kann man nicht einfach ausblenden nach dem Motto: „Was nicht passt wird passend gemacht!“ Ich kann mir ja nicht einfach nur die Belege rauspicken, die meinem gewünschten Ergebnis entsprechen.

      Inwiefern ist die Abgrenzung (und dazu: Reihenfolge) des AT nicht schwierig? Oder meinst du „nicht so schwerwiegend“? In deinem letzten Absatz behauptest du doch gerade für das AT die „(Verbal-) Inspiration“ – das passt nicht zusammen. Zumindest nicht, wenn man den eindeutig vorhandenen Befund an unterschiedlichen Ansichten über Umfang und Reihenfolge des Ersten Testaments/der hebräischen Bibel nicht einfach außer Acht lässt oder durch eine weitreichende Vorentscheidung beiseite schiebt. Oder die Behauptung, man selbst hätte die „richtige“ Lösung schon gefunden …

      Bei der Übersetzungsfrage schießt du dir m. E. ein Eigentor. Also, nach der Hermeneutik, wie ich sie bei dir lese, hängt doch alles von der Irrtumslosigkeit DER SCHRIFT ab. Das heißt für mich, nur der exakte Wortlaut (und der ist in JEDER Übersetzung hinfällig) der Texte garantiert eine „richtige“ Lehre. Wenn du nun sagst, letztlich ist aber doch der Heilige Geist (und damit Gott selbst) entscheidend, dann widerspricht sich das. Ich halte es nicht für möglich, beidem die gleiche „Autorität“ zuzugestehen. Entweder ist die Bibel höchste Norm der Lehre – dann kann da auch der Geist nichts machen. Oder Gott selbst ist die höchste Norm für unsere Auslegung – dann MUSS man aus meiner Sicht die Schrift in ihrer theologischen Bedeutung relativieren. Sonst wäre Gott ein Sklave der Bibel. Denn dann kann sie nur BEZEUGEN, was durch Gott geschieht (=Gottes Wort), aber nicht dies selbst SEIN.

      Mal noch ein weiteres, aber wichtiges Argument: Was machen wir mit den Christ*innen der ersten Gemeinden, denen die Bibel in den heutigen Formen ja noch gar nicht vorgelegen haben kann – und die wir (das sei hier mal erwähnt!) im Übrigen in den FeGs ja als die großen Vorbilder sehen („Gemeinden nach dem Neuen Testament …“)!? Worauf haben die sich ausgerichtet? Nur auf die hebräische Bibel? Wohl kaum – sonst wären sie ja keine CHRIST*innen. Und darin steckt auch schon meine Antwort: Auf Jesus als den Christus! Auf eine Person. Auf eine Erfahrung. Nicht auf eine Schrift – die war „nur“ Hilfsmittel, um die Erfahrungen mit der Person Jesus von Nazareth einzuordnen, zu deuten, zu verstehen. Das kann man aus meiner Sicht nicht theologisch ignorieren.

      Liebe Grüße
      Sebastian

  6. Hi Sebastian,
    ganz ehrlich, ich glaub wir reden dann entweder aneinander vorbei oder wir verstehen unter Chicago und Irrtumslosigkeit grundlegend verschiedene Dinge. Die Frage der Textkritik steht bei Chicago nicht zur Disposition sondern ist Konsens – siehe hier https://evangelikaletheologie.files.wordpress.com/2016/04/chicago-book_ver2-02.pdf – dass wir bei der Suche nach dem richtigen „Text“ wie z.B. Nestle-Aland es m.E. großartig macht, ist doch selbstverständlich – dies zu verneinen wäre ja eine Karikatur von Chicago, etwas was keiner von mir bekannten Theologen fordern würde (schon gar nicht Stadelmann oder Schirrmacher 😉 )
    Das schließt alles ja keine wissenschaftliche Exegese aus (siehe die HTA-Kommentarreihe oder Maier und Co.)
    Darf ich es mal offen sagen? Ich glaube die Chicagoer-Erklärung wird sehr oft falsch verstanden oder karikiert (m.E. übrigens auch von Zimmer bei Worthaus – aber das nur als Nebenbemerkung 😉 )

    Zum Kanon – ich sage nicht schwerwiegend, sondern denke, dass es tatsächlich nicht so schwierig ist -> Ergo. ich sehe den heutigen AT Kanon als verbindlich und nicht z.B. die Makabäer, welche selbst ja ihre Inspiration ausschließen (wenn ich mich richtig erinnere).

    Zu der Frage der Übersetzungen; Nein, dass ist definitiv kein Eigentor. Das die Inspiration auf die ursprüngliche Niederschrift zu sehen ist und nicht auf die Übersetzungen sehe ich weder als Widerspruch, Aber ich sehe 1.Viele Übersetzungen als sehr gut an und 2. Die Rolle des Geistes u.a. in der Aufschließung des Wortes – Gottes Geist gebraucht Gottes Wort und kann uns sehr wohl beim Verstehen helfen, bzw. sein Wirken sehe ich als existenziell bei jedem Exegeten.

    Aber die eine Sache will ich nicht ganz unter dem Tisch fallen lassen. Wie sind die Aussagen des NT über die Inspiration des AT zu sehen? Lass mich etwas provozieren (das darfst du gerne auch 😉 ) – sind sie irrelevant, weil sie nicht verbalinspiriert sind oder nur Erfahrungen?

    Zu dem letzen Argument; in den ersten Gemeinden wurden aber auch die Briefe der Apostel vorgelesen. Hinzu waren teilweise auch Bibliotheken vorhanden und aufgrund der Menge von Abschriften dürfen wir auch schon davon ausgehen, dass in Gemeinden Teile der verschiedenen Briefe vorgelegen haben.

    Vllt. noch als eine weitere Bemerkung.
    Mein Ziel ist es übrigens nicht dich einfach auf meine Seite zu ziehen. Ich finde es in vielmehr spannend zu Diskutieren, die Ansichten zu verstehen und zu hinterfragen 🙂

    Eine Frage habe ich noch zum Verständnis; wenn die Bibel Gottes Erfahrungen mit Menschen beschreibt, welche Autorität hat sie dann auf die Fragen der Lehre (sei es in der Soteriologie, Eschatologie, etc) oder in der Ethik (z.B. Sozialethik oder Sexualethik) – in welchen Bereichen ist sie dann deskriptiv oder normativ zu sehen?

    Danke übrigens für die Bereitschaft zu diesem interessanten Austausch 🙂

    LG Johannes

    1. Ich grüße dich 🙂

      Du schreibst: „ich sehe den heutigen AT Kanon als verbindlich“. Was ich versucht habe klar zu machen ist doch gerade, dass es genau das so einfach nicht gibt! Es gibt faktisch verschiedene Versionen des „heutigen AT Kanon“ – allein schon unterschiedliche in der römisch-katholischen (inkl. Spätschriften; vgl. die Entscheidung von Trient 1546, DH 1502) und den reformatorischen Kirchen (ohne Spätschriften). Es gehört schon eine gute Portion Selbstbewusstsein dazu (um nicht zu sagen: Arroganz), das einfach zu ignorieren und die eigene Tradition (nämlich die evangelische bzw. evangelikale) so absolut zu setzen … und im Endeffekt sogar mit einer göttlichen Offenbarung gleichzusetzen (darauf läuft es ja hinaus, wenn man eine bestimmte Schriftsammlung als göttliche Offenbarung behauptet).

      Ein großes Missverständnis steckt für mich in deiner Frage: „… sind sie irrelevant, weil sie nicht verbalinspiriert sind oder nur Erfahrungen?“, daher will ich darauf (teilweise, ich überspringe eine Ausführung zu dem „NUR Erfahrungen“) eingehen und die Detailfragen mal kurz außer Acht lassen.

      Die Relevanz von Bibelstellen hängt für mich nicht an der Verbalinspiration! Deine Frage unterstellt aber, dass eine wörtliche Eingebung durch (Achtung: wie gewünscht eine Provokation!) einen Zaubertrick Gottes die einzige Möglichkeit ist, dass ein Bibeltext relevant, wichtig, normgebend, verbindlich, … ist. Genau das bestreite ich! Die Relevanz von Bibeltexten sehe ich durch sehr viel mehr Faktoren bestimmt: Was vermittelt mir ein angemessenes Gottesbild? Was hilft mir, diesem Gott zu vertrauen? Was hilft mir, mit meinem Leben klar zu kommen? Was hilft mir, mein Leben und die Welt als Schöpfung Gottes wahrzunehmen? Usw. …

      Diese Faktoren müssen letztlich alle von der durch Menschen erfahrenen (theologisch gesprochen) Selbstoffenbarung Gottes in Jesus Christus her kritisiert (d.h. überprüft) werden. Nur in der überlieferten Geschichte der Erfahrungen mit dieser Person selbst, in der sich nach christlicher Überzeugung doch Gott zeigt (das Wort wurde Fleisch, nicht Schrift …), hat man ein angemessenes Kriterium zum Verständnis der Schrift. Diese Geschichte ist VERMITTELT durch die Schrift, aber nicht die Schrift selbst. Umgekehrt: Das Neue Testament BEZEUGT diese Geschichte, ist sie aber nicht selbst. So wie ein Unfallbericht nie der Unfall selbst ist oder ein Selfie nie das erlebte Ereignis selbst! Ansonsten müsste man mit der Schrift als Kriterium an die Schrift herangehen – ein logischer und methodischer Zirkelschluss, den ich für wissenschaftlich unvernünftig halte. Man muss diese beiden Dinge voneinander unterscheiden (nicht voneinander trennen – das ist nicht gemeint!), weil es verschiedene Dinge sind. Und erst dann kann und muss man fragen, wie beides aufeinander zu beziehen ist – oder einfacher: Was ist theologisch wichtiger? „Chicago“ macht genau das aber nicht (Artikel III!) und „verdoppelt“ quasi die göttliche Offenbarung – einmal in Jesus als Christus und einmal (später!) in „der“ Bibel.

      Ich denke nicht, dass Chicago karikiert oder missverstanden wird. Auch nicht von Zimmer, der ganz präzise den (theo-) logischen Fehler (das würde ich tatsächlich so sagen!) von „Chicago“ benennt: „Jesus Christus gilt als die wichtigste Gestalt der Bibel, aber nicht Jesus, sondern DIE BIBEL gilt als die wichtigste Gestalt der Offenbarung.“ (Schadet die Bibelwissenschaft dem Glauben?, S. 99) Man kann in Zimmers Exkurs (aaO, 98–103) wie ich finde schön und verständlich nachlesen (wenn man sich drauf einlässt), wie undifferenziert – und damit mindestens wissenschaftlich defizitär, wenn nicht gar unwissenschaftlich – die Chicagoer Erklärung theologisch arbeitet. Sie unterscheidet nicht (Artikel III) – aber genau darin, im Unterscheiden, liegt der Schlüssel für eine angemessene Welt- (und Bibel-) Wahrnehmung.

      Keine Ahnung, ob ich mich verständlich mache … ich warte mal die Reaktion ab 🙂

  7. Ich wünsche dir einen guten Morgen,
    dein Skript von FB passt ja zu unserem Thema 😀

    Zum Kanon – gut, dann bin ich halt arrogant ;-), ne ich glaub da werden wir uns nicht einigen können. Ich bin der Ansicht, es gibt sehr gute Gründe für den heutigen Kanon als das AT – aber das sprengt hier den Rahmen.

    Aber lassen wir mal dem Umfang von Kanon beiseite – die Frage von mir war ja wie das AT vom NT selbst beurteilt wird in der Frage der Inspiration. Da würde mich deine Position noch interessieren (natürlich nur wenn du willst 🙂 )

    Ok 🙂 Das war meinerseits auch bewusst provozierend gefragt 😉
    Das schöne ist, wir scheinen uns einig zu sein, dass diese Selbstoffenbarung Jesu nur in der Schrift zu finden ist… Dann sind wir ja gar nicht so weit auseinander – gut etwas schon, aber das halten wir aus 🙂

    Verdopplung? Naja, dass lass ich mal unkommentiert 😉

    Zu Zimmer – hast du schon die Diskussion von ihm und Baum zu seinem Buch gelesen? Fand ich sehr spannend.
    Ich habe mich auch mit Zimmer auseinander gesetzt… das Ergebnis ist ja bekannt 🙂

    Was ich noch spannend finden würde ist, wie begründest du deine Sichtweise über die Bibel mit dem Schriftbefund, also mit den Selbstaussagen der Bibel?

    So, jetzt muss ich wieder weiterarbeiten – genieße deinen Studientag 🙂

    1. Lieber Johannes,

      ich finde deine Antwort etwas ernüchternd. Ich habe den Eindruck, du schiebst die offenen und wie ich finde sehr relevanten Fragen einfach beiseite („Aber lassen wir mal dem Umfang von Kanon beiseite …“). Wieder schreibst du von „dem“ heutigen Kanon – welchen Kanon meinst du denn? Welche Schriften gehören für dich zum Alten Testament? Mit Spätschriften? In welcher Reihenfolge? Welche Textgrundlage ist für dich maßgeblich? Und haben dann alle anderen einen (teilweise) uninspirierten Kanon? Deine Argumente dafür wären zwar interessant – viel wichtiger ist mir aber die Einsicht, dass es mehrere Schriftsammlungen gibt, die sich alle „Bibel“ nennen. Darüber gibt es einfach keinen Konsens, sondern man muss sich selbst entscheiden, welche Schriften warum dazugehören – und welche nicht! Das ist nicht einfach vorgegeben …

      Deiner Ansicht, wir seien uns in bestimmten Punkten einig, muss ich widersprechen, schon weil du mich falsch zitierst. Von einer „Selbstoffenbarung Jesu“ war nie die Rede, sondern von einer „Selbstoffenbarung Gottes in Jesus Christus“. Das ist etwas anderes – auch hier ist es deshalb zwingend notwendig, theologisch zu differenzieren. Und auch, dass sie „nur“ in der Bibel zu finden ist, halte ich für zu kurz gedacht. Wäre dem so, dann wäre die Kirchengeschichte eine Geschichte der Bibel – ich würde aber sagen, sie ist vor allem (theologisch komprimiert gesprochen) Geschichte der Präsenz des Auferstandenen im Heiligen Geist. Das wesentliche geschieht nicht IN der Bibel, sondern wird DURCH die Bibel verständlich.

      Insgesamt habe ich den Eindruck, dass es dir schwer fällt, dich auf eine andere Argumentation einzulassen als einer rein biblische – ich würde provozieren: biblizistische.

      Die Frage, wie das NT das AT einschätzt, finde ich für unsere Diskussion nicht so gravierend. Ich will trotzdem nur andeuten: Das Erste Testament in seiner damaligen Form ist für die Autoren des Zweiten uneingeschränkt Heilige Schrift – die Texte, mit denen sie selbstverständlich ihre Wirklichkeit deuten (auch die Begegnung mit Jesus). Übrigens: Die ersten Christ*innen benutzen vor allem die griechische Septuaginta – die heutigen Bibelausgaben richten sich meist nach dem hebräischen Text! Daher kommen wir dann immer wieder auf die Frage: Welche Bibel meinst du?

      Liebe Grüße
      Sebastian

  8. Servus,
    das was es etwas komplziert macht ist m.E., dass wir sehr unterschiedlich an diese Frage heran gehen und entscheidend andere Vorentscheidungen treffen.
    Ich treffe bei der Festlegung „meines“ Inspirationsverständnis die Vorentscheidung, dass hierzu das Selbstzeugnis der Schrift die entscheidende Relevanz besitzt. Dazu stehe ich.
    Den Vorwurf, ich würde mich nicht auf andere Argumentationen einlassen weise ich zurück.
    Das Nachvollziehen ist hier das eine, das Teilen der Argumentation das andere.
    Den Begriff Biblizistisch halte ich in diesem Kontext für etwas unangebracht…

    Bzgl. des Kanons und des Schriftbefundes schreiben wir (vermutlich aufgrund anderer Vorentscheidungen) aneinander vorbei… Für mich ist bzgl. des AT eben zuerst die Frage was der Schriftbefund hergibt und erst danach sehe ich die die Frage, welche AT Bücher hierin eingeschlossen sind (falls es vom AT-NT Schriftbefund möglich ist solche Rückschlüsse zu ziehen) als relevant an – diese beurteile ich auf der vorhergehenden Frage.

    Ok, dann las mich doch mal von dir lernen 🙂
    Wo verortest du deine Hermeneutik bzgl. der „Inspiration“ der Schrift.
    Wenn nicht im Selbstzeugnis der Schrift wo finden wir dann die Grundlagen für das richtige Verständis?
    Und wie kann ich unterscheiden was verbindliches Wort Gottes ist und was ggf. menschliche Fehler sind?
    Ich freue mich auf deine Antwort!

    LG Johannes
    P.S. ich empfehle immer noch die Diskussion von Baum und Zimmer 😉

    1. Hallo Johannes,

      ich denke, wir sind in einer Sackgasse und sollten uns das eingestehen. Mein Statement zum Abschluss dieser Diskussion (es sei denn, es schaltet sich noch jemand mit etwas Hilfreichem ein …):

      Ich finde es (theo-) logisch höchstproblematisch, die Schrift mit Argumenten aus der Schrift legitimieren zu wollen. Das ist ein Zirkelschluss, der auf weitreichenden, stillschweigend gefällten theologischen VORentscheidungen/Vorurteilen basiert. Zur Verdeutlichung: „Die Schrift ist (z.B.) heilig, weil sie sagt, dass sie heilig ist.“ Das ist in sich nicht widerlegbar – sagt aber auch rein gar nichts über die Bedeutung und Relevanz der Schrift zu ihrem historischen, kulturellen, existenziellen, theologischen, … Kontext, weil diese Argumentation ausschließlich (!) in einem sehr kleinen geschlossenen System funktioniert, das man nunmal Biblizismus nennt.

      Eine sehr formelhafte Antwort auf deine letzte Frage: Kriterium aller Schriftauslegung ist Gott selbst in seiner Selbstoffenbarung in Jesus Christus. Diese ist – ja – von der Schrift bezeugt und in der kirchlichen Tradition bis heute wirksam. Aber die Schrift ist nicht selbst diese Offenbarung, ebensowenig die (dokumentierte) Tradition. Wie Gott sich im Leben des Jesus von Nazareth zeigt ist das wesentliche Kriterium dafür um zu entscheiden, ob etwas „verbindlich“ ist oder nicht. Und da habe ich den Menschen als Leser*in und Ausleger*in der Schriften noch gar nicht ins Spiel gebracht – was zwingend nötig ist (Stichwort: Rezeptionsästhetik). Und über die menschlichen Fehler entscheidet die historische Kritik – nicht eine theologische Vorannahme.

      Damit überlasse ich dir das letzte Wort und danke dir herzlich für den angeregten, wenn auch beiderseits festgefahrenen Austausch 🙂

      Liebe Grüße
      Sebastian

  9. Hallo Sebastian,
    dass passt!
    Ich denke wir sind uns einig, dass wir uns nicht einig sind 😀
    Ich schließe mich dem Dank einfach an – es war ein interessanter Ausstausch!

    Liebe Grüße
    Johannes

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