Perspektiven des christlichen Glaubens auf unsere Berufswelt

Wenn ChristInnen behaupten, dass ihr Glaube etwas mit ihrem Leben zu tun hat oder eine Relevanz für das Leben hat, dann muss immer wieder gefragt werden, worin dieser Bezug, diese Relevanz besteht. Welche Inspiration, welche Kraftquelle bietet der Glaube? An welchen Stellen wirft der Glaube ein kritische Licht auf unsere alltägliche Wirklichkeit, also wo stellt der Glaube das in Frage stellt, was wir tun oder wie wir uns verhalten. Wo bleiben wir nicht bei frommen Floskeln stehen, sondern wie kommen wir zu echter Glaubens- und Lebensstärke.

Mit diesem Fragen setzt sich dieser Text auseinander und zwar in Bezug auf unsere Berufswelt. Nach einer kurzen Beschreibung dessen, was viele von uns verbindet, werden Teil drei Thesen formuliert und näher erläutert, die unsere Berufswelt beschreiben. Anschließend werden zu diesen Thesen Perspektiven eröffnet, die der christliche Glaube bietet, bzw. bieten kann.

Was uns geprägt hat.

Alle, die zwischen 1980 und Mitte, Ende der Neunziger geboren wurden, haben gewisse Dinge gemeinsam in ihrer Kinder-, Teen- und Jugendzeit erlebt, die sie geprägt haben. Man spricht von unterschiedlichen Generationen, die aufgrund ihres Alters und ihrer Herkunft gemeinsame Erfahrungen gemacht haben. In diesem Fall hat sich der Begriff „Generation Y“ durchgesetzt. Diese Bezeichnung stammt hauptsächlich von der englischen Aussprache „Generation why“, weil ein Kennzeichen sei, dass die Generation vieles in Frage stellt.

Diese Jahrgänge sind z.B. mit der Entwicklung und rasanten Ausbreitung des Internet groß geworden. Die Anschaffung des ersten 56k-Modem-Internetzugangs wirkte revolutionär. Heute verschwimmt der Unterschied zwischen offline und online immer mehr. Die sozialen Medien sind für viele ein zweites Zuhause geworden und die digitale Kommunikation völlig normal. Das Leben wird erleichtert, beschleunigt, vereinfacht und oft auch gestört von Apps, der Nutzung unseres Smartphones. Man spricht von sog. digital natives, bei denen, die im digitalen Zeitalter aufgewachsen sind.

Genauso ist es für viele selbstverständlich zu reisen. In den Zeiten des Schengen-Abkommens aufzuwachsen, also mit der Freiheit in Europa ohne Grenzkontrolle und Visum reisen zu können, ermöglich es, Länder zu bereisen und andere Kulturen kennen zu lernen. Auch wer aus Westeuropa andere Staaten kennen lernen möchte, erhält sehr leicht ein Visum für andere Staaten. Viele haben die Berliner Mauer und deren Fall entweder gar nicht mehr mitbekommen oder waren noch zu jung, um die Trennung zwischen Ost- und Westdeutschland zu verstehen. . Trennung ist für viele kein Normalzustand.

Aber auch die Schattenseiten des Lebens prägen eine Generation. Der Terror am 11. September in New York, der darauf folgende sog. „Krieg gegen den Terror“ der USA in Irak und Afghanistan. Dann die Krisen: Die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise, Krise auf dem Arbeitsmarkt bis Mitte der 2000er, Bankenkrise, Eurokrise in Griechenland, Zypern usw. Flüchtlingskrise. Viele sind in einer Zeit groß geworden, die bedroht zu sein schien. In der man sich nie sicher konnte, wie es weiter geht bzw. was die Zukunft so bringt. Man muss sich darauf einstellen, flexibel zu sein. will man irgendwie durch das Leben kommen.

Diese drei Bereiche des Lebens (Internet, Mobilität, Krisenerfahrungen) prägen die gemeinsame Erinnungern und Erfahrung einer Generation.

In den folgenden Thesen geht es nun um die Prägungen und Erfahrungen in der Bildungs- und Arbeitswelt. (Ab jetzt spreche ich vom persönlicheren „Wir“, da ich (Tom) mich selbst zu dieser Generation zähle)

1. These: Wir müssen mit einem immensen Leistungsdruck zurecht kommen.

2002 haben uns nach der Veröffentlichung der PISA-Studie viele gesagt: Wir sind dumm. Zu schlecht ausgebildet im europäischen Vergleich. Unsere Generation habe deutliche Defizite in Sachen Lesen und Schreiben. Das Land der Dichter und Denker hat eine schlecht ausgebildete Jugend. Egal, ob wir das damals bewusst oder unbewusst verfolgt haben, der Konsens lautete, es muss etwas mit unserem Bildungssystem passieren, damit die junge Generation Leistungsfähiger wird.

Und es ist etwas passiert. Mitte der 2000er entschieden sich viele Bundesländer dazu das Abitur von neun Jahren auf acht Jahre zu verkürzen. Gleicher Lernstoff, weniger Zeit. Dieser Verwaltungsakt hat dazu geführt, dass für viele junge Menschen Freizeit verloren ging. Der Druck, sich schon in der Schule durchsetzen zu müssen, stieg. Viele haben verdeutlicht bekommen: Wenn du später eine Chance haben willst, musst du jetzt hart dafür arbeiten.

Dies haben uns zum Teil auch unsere Eltern vermittelt. Der sog. Ernst des Lebens ging schon mit der Einschulung los. Ab jetzt standen nicht mehr das zweckfreie Spielen, sondern das Lernen und die Noten im Vordergrund. Für viele unserer Eltern war klar: Schlechte Noten in der Schule bedeuten geringere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Das hat dazu geführt, dass viele von uns mit sog. Helikopter-Eltern aufgewachsen sind. Sie fliegen ständig über uns und überwachen. Heute hat jedes Kind ein Smartphone, sodass es ständig kontrolliert werden kann. Was morgens, mittags und abends mit ihren Kindern passiert, mit wem sie sich treffen und was sie spielen passiert, ist für Eltern absolut einsichtig.

Für viele war auch klar: Wenn man selbst die Chance auf eine berufliche Perspektive haben möchte, muss man mindestens einen Realschulabschluss erlangen. Besser eigentlich das Abitur. Auf der Hauptschule zu sein kommt heute scheinbar einem sozialen Desaster gleich, da viele Möglichkeiten wegfallen. Das Abiturzeugnis gilt als Versicherung gegen spätere Arbeitslosigkeit und sozialen Abstieg. Damit ist auch verbunden, dass Kinder und Jugendliche aus bildungsferneren Familien häufig geringer Chancen haben, das Abitur zu machen oder ein Studium zu absolvieren.

Eine Devise lautet: Du musst lernen, damit du keine Bildungsverlierer bist. Wenn du später Beruf und Familie vereinen möchtest, musst du dich anstrengen.

Neben PISA und G8 hat auch die Bologna-Reform, die Ende der Neunziger, Anfang der 2000er umgesetzt wurde, den Leistungsdruck erhöht. Es wurden auf europäischer Ebene die Studienabschlüsse vereinheitlicht. Mit den neuen Bachelor- und Master-Abschlüssen, die vielfach die Diplom und Magister-Abschlüsse abgelöst haben, wurde ein Punktesystem eingeführt, bei dem im Vordergrund steht, in einer bestimmten Zeit Punkte zu sammeln. Das individuelle Lernen und Studieren tritt dabei oft in den Hintergrund, Studienleistungen treten in den Vordergrund. Bologna hat den Leistungsdruck erhöht.

Es wird also deutlich, viele von uns müssen mit einem immensen Leistungsdruck zurecht kommen.

Hier deuten sich schon die Fragen an. Wie gehen wir eigentlich mit diesem Druck um? Was passiert mit denen, die damit nicht zurecht kommen? Wo bleiben diejenige, die diese Leistung nicht erbringen können? Was definiert uns eigentlich? Ein Abitur? Ein Bachelor oder Master? Macht uns unsere Leistung aus?

Die zweite These lautet:  Es ist unsere Aufgabe, unseren Lebenslauf offen zu gestalten. Dies ermöglicht uns Freiheit ist aber gleichzeitig unsere größte Herausforderung.

Wer übt heute noch denselben Beruf seiner Eltern aus? Und falls dies der Fall ist, wer wurde dazu von ihnen gedrängt?

Wir leben in einer Zeit, die uns scheinbar grenzenlose Möglichkeiten verschafft. Wir können uns aussuchen, wo wir studieren, was wir für eine Ausbildung machen, welchen Studiengang wir wählen, mit welchen Fächern wir das kombinieren. Das war früher keinesfalls selbstverständlich. Uns ist die Freiheit geschenkt, unser Leben so zu gestalten, wie es uns entspricht.

Wer sich die Angebote der Fachhochschulen und Universitäten ansieht, landet in einem Dschungel von Möglichkeiten. Es gibt nichts, was man nicht studieren könnte. Das reicht von Weinwissenschaft in Wiesbaden über angewandte Sexualwissenschaft in Merseburg bis zu Gamedesign z.B. in München und Berlin. Entscheidungen können oft nur noch aus dem Bauch heraus getroffen werden. Oder man vertraut auf die Erfahrungen fremder Menschen, etwa bei Rezensionen auf amazon.de. Es gibt heute für nahezu alles ein Vergleichsportal, weil das Angebot unbegrenzt zu sein scheint. Man ist auf den Vergleich und die Bewertung anderer angewiesen. Das reicht von de einfachen Kaffeemaschine bis zum Anbieter von Strom und Gas.

Diese Freiheit geht damit einher, dass es keine Selbstverständlichkeiten mehr mit. Nichts ist mehr vorgegeben und normal.

Ein Journalist schreibt: „Der offen gewordene Lebenslauf ist wohl das wichtigste Kennzeichen der Generation Y – und zugleich eine ihrer größten Belastungen.“ (Albrecht/Hurrelmann, Die heimlichen Revolutionäre, 2014)

Wir müssen uns genau überlegen, welche Wege wir einschlagen, wohin es gehen soll, was uns entspricht. Das gibt uns weitestgehend nicht mehr der Beruf unserer Eltern vor oder das Familienhandwerk, mit dem wir aufgewachsen sind. Wenn Eltern hier etwas sagen, dann doch vor allem: Mach was Vernünftiges, denk an deine Zukunft.

Und gleichzeitig säuselt immer eine leise Stimme im Ohr: Verbaue dir keine Türen, gehe keine Wege, die dich ins Abseits führen. Halte dir möglichst viele Optionen offen, wenn du erfolgreich sein möchtest.

Unsicherheit wird damit zu eine bestimmenden Grunderfahrungen. Wir müssen uns im Leben darauf einstellen, flexibel zu sein. Wir müssen unsere Persönlichkeit darauf einrichten, mit Ungewissheit leben zu können. Selbst unsere Rente scheint nicht sicher, wenn wir uns den demographischen Wandel und gleichzeitig die großen finanziellen Herausforderungen der Bundesrepublik anschauen.

Auch hier deuten sich schon Fragen an: Wie gehen wir mit dieser Freiheit und gleichzeitig mit der Überforderung um? Was gibt uns eigentlich Sicherheit auf diesem Weg?  Gibt es dort Orientierungspunkte? Was ist mit denen, die mit dieser Vielfalt überfordert sind? Wie findet eigentlich Entlastung statt?

Die dritte These: Geld allein macht nicht glücklich. Wenn soziale und ökologische Werte, Vereinbarkeit von Beruf und Familie und der Sinn der Arbeit stimmen, sind wir bereit, viel zu geben. 

Zahlreiche Karriere- und Berufsstudien zeigen, dass für viele von uns weitaus mehr zählt als Geld, Erfolg und Karriere. Laut einer Studie wollen 79% der Berufseinsteiger auf jeden Fall Kinder haben, 54% schon während den ersten drei Jahren. Ständig arbeiten und wenig Selbstbestimmung ist unattraktiv. 95% wollen viel Zeit mit Familie und Freunden verbringen und 57% plädieren für eine freie Zeiteinteilung.

In Sachen Werte und Ideale sind wir keine politischen Revoluzer, aber wir haben gewisse Prinzipien. Wir erwarten, dass Arbeitgeber in der Lage sind, anständig mit ihren Mitarbeitern umzugehen. Chefs, die streng hierarchisch von oben herab ihre Mitarbeiter behandeln, lehnen wir ab. Wir bringen gerne unsere Kompetenzen und Möglichkeiten einbringen, wenn man uns auf Augenhöhe begegnet. Warum sollte ich jemanden Folge leisten, der weniger Ahnung hat und seine Mitarbeiter schlecht behandelt, nur weil er mehr verdient und in der Hierarchie höher steht?

Wenn ich Leute kennen lerne und ihnen erzähle, dass ich Pastor bin, reagieren manche mit Faszination. Sie sind fasziniert, weil ich einen Beruf ausübe, der von meinen Überzeugungen, meinem Glauben gespeist wird. Viele wollen nicht mehr einfach nur Dienst nach Vorschrift tun, sondern sind bereit mehr zu geben, wenn sie hinter dem Produkt, hinter dem Unternehmen oder hinter der Dienstleistung stehen.

Auch Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind für viele junge ArbeitnehmerInnen wichtig. Ein Unternehmen, das auf kurzfristigen Erfolg auf Kosten der Natur und Umwelt produziert, lehnen viele ab.

Kinder und Beruf müssen von Anfang an vereinbar sein. Auch wenn das Alter, in dem wir Kinder bekommen immer weiter steigt und die Anzahl der Kinder gleichbleibend niedrig ist, wollen wir unseren Beruf und die Familie in Einklang bringen können. Nicht alle wollen Karriere und Erfolg auf Kosten der Familie leben.

Manche sprechen mittlerweile von dem sog. Work-Life-Blend und nicht mehr von der Work-Life-Balance. Also von der Mischung. Die Balance sagt ja, dass die Arbeit auf der einen und das „Leben“ auf der anderen Seite steht. Warum nicht beides vereinen? Warum nicht so arbeiten, dass es ins Leben passt. Warum sollten wir unser Leben an der Arbeit anpassen anstatt unsere Arbeit an unser Leben anzupassen?

Auch hier können wir uns fragen: Was gibt uns eigentlich Orientierung bei unseren ethischen Entscheidungen? Wer sagt uns eigentlich, was gut und was schlecht ist? Lassen wir uns hier kritisieren und korrigieren?

Diese Thesen haben nicht den Anspruch die gesamte Wirklichkeit zu erfassen, sondern wichtige Kernpunkte herauszustellen.
Nun soll der Horizont durch Perspektiven des christlichen Glaubens erweitert werden.

1. These: Wir müssen mit einem immensen Leistungsdruck zurecht kommen.
Perspektive: Das Evangelium von Jesus Christus sagt: Du bist genug.

An dieser Stelle nimmt der christliche Glaube im Vergleich zu unserer Gesellschaft eine krasse Gegenperspektive ein. Leistungsdruck ist für viele Alltag. Unser Wirtschaftssystem baut auf Wettbewerb auf.

Du musst schneller, besser, klüger, reicher, innovativer sein, um dich auf dem Markt behaupten zu können. Und auch im kleinen: Du musst schön sein, du musst lustig sein, du musst flexibel sein, um persönlichen Erfolg zu haben.

Der Text, der eben gelesen wurde (Mt 6, 25–34), stammt von Jesus Christus. Jesus war ein Mann, der zu seinen Lebzeiten ein Gottesbild geprägt hat, das zu großen Teilen neu war, das anders war. Das nicht die Leistung des Menschen in den Vordergrund stellte, sondern eben Gott. Es ging gerade nicht darum, bestimmte Dinge leisten zu müssen oder bestimmte Verschriften einhalten zu müssen. Er sagt: Kommt her zu mir, alle die ihr beladen seid. Alle, die ihr belastet seid, alle die ihr unter Leistungsdruck steht. ich will euch ermutigen, entlasten, begleiten. Er sagt: Gott kümmert sich um dich. Sieh dich um, wenn sich Gott um die Blumen auf dem Feld kümmert, wie viel mehr kümmert er sich um dich!

Seine Botschaft war zutiefst von Liebe geprägt. Ihm war wichtig: Hey, dein Gegenüber, dein Mitmensch ist nicht weniger Wert als du, nur weil er einer anderen Kultur angehört, nur weil er ein Leben führt, das du nicht gut findest. Dein Mitmensch ist von unermesslichem Wert.

Das Fundament des christlichen Glaubens ist der Tod Jesu am Kreuz. Es ist der Tod eines Mannes, der für diese Botschaft der Liebe, der Annahme, der Gnade gelebt hat. Das Kreuz ist das Symbol für den christlichen Glauben. Sowohl für Nichtchristen als auch für viele Christen ist oft unverständlich, warum der Tod eines Mannes die Basis einer Religion sein kann. Es ist fast schon obszön, das Leiden und grausame Sterben eines Mannes als bedeutsam für unser Leben zu feiern.

Doch genau hier finden wir eine Perspektive auf unser Leben, das wir in diesem Wettkampf und dem Leistungsdruck führen.

Das Kreuz sagt uns: Scheitern gehört dazu. Scheitern, hinfallen, gehören zu unserem Leben dazu. Selbst Jesus von Nazareth ist gescheitert. Selbst Jesus, der die Botschaft der Liebe, der Annahme verkündigt hat, der einen Gott der Liebe, einen Gott der Annahme und Gnade verkündigt, scheitert an der Macht dieser Welt. Er scheitert an Ungerechtigkeit, an Überheblichkeit, an Machtstreben. Schauen wir auf den Mann am Kreuz, sehen wir all das Scheitern dieser Welt. Das Kreuz ist erst mal kein Zeichen von Stärke, kein Triumph, sondern ein absolutes Zeichen von Scheitern und Schwachheit.

Aber genau damit verdeutlich uns das Kreuz: Es kommt nicht auf deine Leistung an. Es kommt nicht auf deine Noten an. Es kommt nicht auf deine Beförderung an, es kommt auch nicht auf dein Ansehen an. Selbst ein Mann, der die beste Botschaft der Welt, die Botschaft der Liebe und Annahme verkündigt hat, scheitert. Selbst er wird dem Leistungsdruck nicht gerecht. Unser Leben kann also nicht dadurch besser oder schlechter werden, dass wir irgendetwas besonders gut können, dass wir etwas besonders leisten. Das verdeutlich uns dass Kreuz: Scheitern gehört zu unserem Leben dazu. Und zwar zu uns allen. Zu mir, zu dir.

Christinnen und Christen glauben daran, dass es nicht bei dem Sterben Jesu bleibt. Sie glauben daran, dass Gott Jesus Christus von den Toten auferweckt hat. Auch die Auferstehung Jesu ist noch viel schwieriger zu verstehen, da sie mit menschlichen Maßstäben nicht zu erfassen ist.

Doch die Auferstehung zeigt: Gott gibt dem Gescheiterten Recht. Gott gibt dem, der dem Leistungsdruck nicht stand gehalten hat, Recht. Er stellt sich auf die Seite Jesu. Auf die Seite desjenigen, der unter dem Druck dieser Welt, unter dem Druck der Mächtigen zusammengebrochen ist. Gott identifiziert sich mit Jesus, indem er sagt: Der Mann, der die Liebe und Annahme verkündigt hat, hat Recht! Das Leben, so wie es Gott sich vorstellt, ist in erster Linie nicht höher, schneller, weiter. Die Auferstehung Jesu zeigt uns: Gott steht gerade in unserer Schwachheit zu uns. Gerade in unserer Schwachheit sagt er uns: Du bist genug.

Nicht, weil du Leistung bringst, nicht weil du erfolgreich bist, nicht weil deine Noten stimmen, sondern weil Gott dir sagt: Du bist genug. So wie du bist. So, wie ich dich geschaffen habe.

2. These: Es ist unsere Aufgabe, unseren Lebenslauf offen zu gestalten. Dies ermöglicht uns Freiheit, ist aber gleichzeitig unsere größte Herausforderung.

Perspektive: Das Evangelium von Jesus Christus führt in die Freiheit, nicht in die Enge. Auch wenn wir Fehlentscheidungen treffen, sagt er: Meine Gnade ist genug.

Manche Menschen leben mit der Vorstellung, dass es für alles einen Sinn gibt und dass alles einen Plan hat. Viele sagen: Gott hat einen Plan für mein Leben. Damit meinen sie, dass Gott ihnen genau sagt, was sie tun sollen. Etwa, was sie studieren sollen, was sie beruflich machen sollen oder wen sie heiraten. Dieses Denken kann zur Entlastung führen, denn dann ist man nicht mehr selbst für seine Entscheidungen verantwortlich, sondern man kann Gott dafür verantwortlichen machen.

Dieses Denken beinhaltet große Schwierigkeiten. Es bedeutet, dass man sich die ganze Zeit fragen muss, ob dieses oder jenes nun Gottes Plan ist. Mache ich jetzt das, was Gott will? Lebe ich so, dass ich diesem Plan entspreche?

Diese Fragen führen eher in die Enge als in die Weite, dann sie tendieren dazu, dass man eher Angst davor hat, das falsche zu tun, Gottes Plan nicht zu entsprechen.

Das Evangelium von Jesus Christus führt uns nicht jedoch nicht die Enge, sondern in die Freiheit. Gott schreibt uns nicht vor, was wir zu tun oder zu lassen. Er ist kein Marionettenspieler, der mit uns umgeht, wie mit Puppen, die keinen eigenen Willen haben.

Fragen wir danach, wie unser Glaube uns helfen kann, in die Freiheit zu führen, verantwortlich mit unserem Leben umzugehen, kann uns das Evangelium von Jesus Christus Orientierung geben. Wir können uns fragen: Entspricht mein Leben, mein Verhalten, meine Entscheidung dem Evangelium von Jesus Christus? Oder konkreter formuliert: Lebe ich nach der Botschaft der Liebe? Lebe ich Gnade? Lebe ich Barmherzigkeit. Mit mir selber und mit anderen?
Kann ich meine Gaben entfalten? Schade ich mit meiner Entscheidung anderen Menschen? Grenze ich Menschen aus? Muss ich mich mit meinen Gaben und Fähigkeiten verstecken?

All das sind Fragen, die sich an Jesus Christus orientieren. So wie er gelebt hat, nach dem, was er verkündigt hat. Es sind fragen, die uns dabei helfen können, auch konkrete Entscheidungen zu treffen.

Früher gab es diese Armbänder, auf die „WWJD“ gedruckt war. „What would Jesus do?“. Was würde Jesus tun (Hier ein alter Beitrag zu den Armbändern). Die Bänder waren nicht besonders schön, aber sie hatten eine sinnvolle Botschaft. Was würde dieser Mann tun, der die Liebe gelebt hat, der Annahme gelebt habt, der Barmherzigkeit gelebt hat?

Es kann sein, dass du in deinem Beruf in Situationen kommst, wo du dir diese Fragen stellst. Es kann sein, dass du sagst: Ich kann dieses oder jenes nicht tun, weil es nicht der Liebe entspricht. Weil damit Menschen offensichtlich schaden zugefügt wird. Dann erfordert es oft Mut, sich diesen Fragen zu stellen, denn es kann Konsequenzen haben.

Manchmal ist aber gar nicht so klar, was die richtige Antwort ist. Es gibt nicht immer nur schwarz/weiß, den richtigen und den falschen Weg. Ich vermute, dass Gott gar nicht sagt, ob du jetzt deinen Master mit Schwerpunkt Marketing oder Vertrieb machen sollst. Vielleicht ist Gott das egal.

Ihm ist aber sicher nicht egal, ob deine Gaben zur Entfaltung kommen. Ob deine Interessen, deine Fähigkeiten, also das, was er in dir angelegt hat, weiter wachsen und reifen können. Ich glaube Gott ist es wichtiger, dass wir unseren Weg finden, als dass wir irgendeinen Plan erfüllen.

Gott sagt in den seltensten Fällen, tu dies und lass jenes. Aber was er dir zusagt: Wenn du diesen Weg gehst, werde ich bei dir sein. Auch wenn du hinfällst, helfe ich dir. Dort wo du bist, werde ich sein. Ich kümmere mich um dich, wie ich mich um die Blumen auf dem Feld kümmere.

Wir leben heute mit dieser Vielfalt. Und das ist auch gut so. Gott ist ein Gott der Vielfalt! Das sehen wir an seiner Schöpfung, an den Kulturen, an den unterschiedlichen Menschen. Und er selbst ist es ja sogar, der in sich vielfältig ist. Als Vater. Als Sohn. Als Heiliger Geist. Gott selbst lebt Vielfalt.

Das dürfen wir gestalten und leben. Das dürfen wir genießen und unseren Weg finden, in dem Wissen, Gott geht mit.

Es kann sein, dass du jetzt sagst: Ist ja gut und schön, aber ich habe bisher nicht nur ein mal in meinem Leben offensichtlich eine Fehlentscheidung getroffen. Ich habe nicht nur ein mal erleben müssen, dass sich mein Weg als falsch heraus gestellt hat.

Dann möchte ich dir zusagen: Auch wenn wir Fehlentscheidungen treffen sagt er: Meine Gnade ist genug. Gott erwartet kein perfektes Leben von uns ohne Fehler. Ohne Scheitern. Wer das behauptet, hat vom Evangelium nicht viel verstanden. Davon bin ich überzeugt.

Liebe heißt doch: Gott geht mit, auch wenn ich mich mal verrenne. Gott ist da, auch wenn ich weit weg von ihm bin. Gott sagt: Du bist genug, auch wenn ich mir selbst nicht genüge.

Die Bibel drückt das so aus:

„Laß dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ (2. Kor 12,9)

Auch hier nimmt der christliche Glaube eine gesellschaftskritische Rolle ein . Bei Gott steht nicht der geradlinige Lebenslauf im Vordergrund. Gott erwartet nicht dieses Praktikum, den Auslandsaufenthalt und den Job der der Firma, damit er uns liebt. Gott erwartet von dir nicht, dass du alles richtig machen musst.

Dies kann Kraft schenken und zur Entlastung führen.

These: Geld allein macht nicht glücklich. Wenn soziale und ökologische Werte, Vereinbarkeit von Beruf und Familie und der Sinn der Arbeit stimmen, sind wir bereit, viel zu geben. 

Perspektive: Gott beschenkt uns. Wir dürfen von unsere Zeit, unsere Begabungen und unser Geld einsetzen, denn er gibt uns genug.

Ich freue mich darüber, dass für viele von uns, Werte wie soziale Gerechtigkeit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die sinnvolle Gestaltung unseres Lebens von großer Bedeutung sind. Hier wird für mich das Evangelium sichtbar, hier leuchtet das Evangelium auf.

Wir leben in einer Generation, die hoch gebildet ist, wir haben Zugang zu Wissen, zu Ressourcen, zu Geld. Wir haben großen Gestaltungsspielraum. Auch wenn du es auf deiner Arbeit selbst nicht erlebst, hast du die Möglichkeit, dich für etwas gutes einzusetzen. Mit deinem Geld, mit einer Zeit anderen zu dienen. Nicht nur an dich zu denken.

Christlicher Glaube kann helfen, dass wir das, was wir haben, als Geschenk sehen. Zeit, die wir für andere Menschen einsetzen können. Begabungen, mit denen wir anderen dienen können, Geld, mit dem wir Gutes bewirken können.

Auch hier können wir uns wieder fragen, wie können wir mit dem, was uns gegeben ist, das Evangelium von Jesus Christus fördern. Wie können wir Liebe leben, wie können wir Ausgrenzung vermeiden, wie können wir uns den Schwachen zuwenden. Wie können wir die Geschenke, die wir selbst empfangen haben, weiter geben?

Gott beschenkt uns. Er gibt uns genug. Es kann sein, dass es sich für dich im Studium oft anders darstellt. Da ist am Ende des Monats nicht mehr so viel Kohle übrig. Doch ich bin mir sicher, dass auch du genug hast, von dem du geben kannst. Zeit, Begabungen. Gott sagt dir zu: Es ist genug.

 

(Wir haben uns im Vorfeld gefragt, wie die Impulse, die wir heute weiter gegeben haben, ein bisschen im Alltag mitgehen. Wir wünschen uns, dass die Gedanken, dass die Entlastung auch morgen und in den nächsten Tagen und Wochen trägt. Vielleicht ist dir aufgefallen, dass in dem Text häufiger das Wort „genug“ vorkam. Du bist genug. Gottes Gnade ist Genug. Gott gibt uns genug.

Dieses Wort kann uns begleiten, kann uns ermutigen, kann uns tragen. Gerne kannst du dieses Bild als Bildschirmhintergrund für dein Smartphone verwenden, um dich ab und zu daran zu erinnern.

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